Will & Will
seine worte über den lake michigan und den größten teil kanadas hinweg bis zum nordpol zu hören sind. die farmer aus saskatchewan vergießen tränen. santa dreht sich zu mrs claus und sagt: ›was zum teufel ist das denn?‹ ich stehe vollkommen erstarrt da, aber dann macht tiny die augen auf und schaut mich so liebevoll an, dass es mir erst recht die sprache verschlägt. seit ewigen zeiten hat mir keiner mehr so viel geben wollen. außer isaac, und der existiert nicht. und was auch immer es über tiny vielleicht zu sagen gäbe, eines steht fest: er existiert.
er fragt mich, ob ich mit ihm einen kleinen spaziergang machen möchte. und wieder nicke ich stumm. was besseres fällt mir einfach nicht ein.
ich: wer bist du?
tiny: tiny cooper!
ich: du kannst nicht wirklich tiny heißen.
tiny: nein. ist die volle ironie.
ich: oh.
tiny (macht ts, ts): du brauchst nicht betreten ›oh‹ zu sagen.
ich komm damit klar. ich hab eben große, schwere knochen.
ich: das sind nicht nur die knochen.
tiny: was einfach nur heißt, dass es an mir eben mehr als an anderen zu lieben gibt!
ich: aber macht auch viel mehr mühe.
tiny: schatz, ich bin es wert.
das echt verrückte ist, dass ich zugeben muss, er hat tatsächlich was. ich finde ihn wirklich ein kleines bisschen attraktiv. ich begreif das gar nicht. er hat irgendwie so was knuffiges. obwohl er so groß wie ein haus ist (und ich rede hier nicht von einem arme-leute-haus), hat er so superweiche haut und leuchtend grüne augen und alles hat irgendwie die richtigen proportionen. deshalb spür ich gar nicht den widerwillen, den ich bei mir erwartet hätte, wenn jemand dreimal so groß ist wie ich. eigentlich würde ich ihm am liebsten sagen, dass mir im moment eher danach ist, ein paar leute abzuknallen, als mit ihm durch die straßen zu spazieren. aber er bringt die mordgelüste in mir fast zum erliegen. was nicht heißt, dass sie später nicht wiederkommen.
während wir zum millennium park gehen, erzählt mir tiny alles über tiny dancer und wie er um das musical gekämpft hat und immer noch kämpft. komponieren und schreiben. für choreografie, kostüme, bühnenbild und beleuchtung sorgen. dann die hauptrolle spielen, regie führen und sich auch noch um die finanzierung kümmern. er scheint in seinem kopf keinen platz für andere gedanken zu haben, und weil ich mich verzweifelt bemühe, in meinem kopf keinen platz
für gewisse gedanken zu haben, versuche ich einfach nur ihm zu folgen. es ist ein bisschen wie mit maura (verfluchte hexe-arschloch-schlampe-mussolini-al-quaida-darth-vadernicht-existentes-unwesen), ich muss bei unserem gespräch kein einziges wort sagen, was sehr okay ist.
als wir zum millennium park kommen, steuert tiny schnurstracks auf die bohne zu, was mich nicht besonders überrascht.
bei der bohne handelt es sich um eine total idiotische skulptur, die dort aufgestellt wurde – wahrscheinlich zum millennium – und die ursprünglich natürlich anders hieß. aber alle haben angefangen, sie die bohne zu nennen, und der name blieb dann. im wesentlichen hat man dabei eine gigantisch große bohne aus spiegelndem metall vor sich, unter der man hindurchgehen und dabei sein eigenes verzerrtes spiegelbild sehen kann. ich war schon ein paar mal auf schulausflügen hier, aber noch nie mit jemandem, der so riesig ist wie tiny. normalerweise ist es ziemlich schwierig, sich selbst in der spiegelung wiederzuerkennen. aber diesmal weiß ich, dass ich der dünne winzling neben dem bombastischen, verformten menschenklecks bin. tiny kichert, als er sich selbst so sieht. ein aufrichtiges hi-hi-hi-kichern. ich hasse es, wenn mädchen immer rumkichern, weil es so falsch klingt. aber bei tiny klingt es überhaupt nicht falsch. es klingt, als würde das leben ein solches lachen aus ihm rauskitzeln.
nachdem tiny im bohnenspiegel die ballerina-pose, die kinnhaken-und-trommelnde-fäuste-pose, die pump-up-the-jampose und die berggipfel-sound-of-music-pose ausprobiert hat, marschiert er weiter zu einer bank, von der aus man auf den lakeshore drive blicken kann. ich erwarte, dass er total
verschwitzt ist – denn um einfach mal zu sagen, wie es eben ist, die meisten fetten menschen kriegen ja schon schweißausbrüche, wenn sie nur den kleinen finger zum mund führen. nicht so tiny. er ist einfach zu wunderbar, um verschwitzt zu sein.
tiny: dann erzähl tiny mal deine probleme.
ich kann darauf nichts antworten, weil er es nämlich so sagt, dass man
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