Will & Will
wie es sich anfühlt, ein Mädchen wirklich zu wollen – nicht nur Sex mit ihr oder so, sondern sie wirklich zu wollen wollen wollen. Aber jetzt weiß ich es auf einmal. Vielleicht glaub ich doch an Epiphanien.
Sie löst sich von mir, nur um zu fragen: »Wie lautet mein Nachname?«
»Keine Ahnung«, antworte ich sofort.
»Turner. Mein Nachname ist Turner.« Ich gebe ihr einen letzten leichten Kuss auf die Lippen und dann setzt sie sich aufrecht und ordentlich hin. Ihre behandschuhte Hand liegt immer noch auf meiner daunengefütterten Hüfte. »Siehst du, wir kennen uns überhaupt nicht. Ich muss erst rausfinden, ob ich an Epiphanien glaube, Will.«
»Ich kann es nicht fassen, dass sein Name Randall ist. Er geht nicht auf die Evanston, oder?«
»Nein, er geht auf die Latin School. Wir haben uns bei einem Poetry Slam kennengelernt.«
»Na klar. Mein Gott, ich kann mir den schleimigen Bastard ganz genau vorstellen: Er ist groß, mit verwuschelten Haaren und macht irgendeinen Sport, wahrscheinlich Fußball, aber er tut so, als würde ihn das gar nicht interessieren, weil er nämlich nur Lyrik und Musik und dich mag, und er hält dich für ein Gedicht und sagt es dir auch und strotzt nur so vor Selbstbewusstsein und benutzt bestimmt ein Bodyspray.« Sie lacht, schüttelt den Kopf. »Was denn?«, frage ich.
»Wasserpolo«, sagt sie. »Nicht Fußball.«
»Oh Gott. Natürlich. Wasserpolo. Klar doch, nichts rockt mehr als Wasserpolo.«
Sie schielt auf meine Uhr. »Eine Minute«, sagt sie.
»Du siehst besser aus, wenn du deine Haare hochgesteckt hast«, sage ich hastig.
»Wirklich?«
»Ja, sonst siehst du ein bisschen aus wie ein kleines Hündchen.«
»Und du siehst besser aus, wenn du keinen Buckel machst«, sagt sie.
»Die Zeit ist abgelaufen!«, rufe ich.
»Okay«, sagt sie. »Schade, dass wir das nicht öfter machen können.«
»Welchen Teil davon?«, frage ich und versuche dabei weich und verletzlich zu klingen. Sie steht auf.
»Ich muss jetzt nach Hause. Ich darf nur bis Mitternacht ausgehen.«
»Kein Problem.« Ich ziehe mein Handy raus. »Ich ruf nur kurz Tiny an und sag ihm, dass wir weg sind.«
»Ich nehm ein Taxi.«
»Ich ruf ihn nur kurz –«
Aber sie steht schon am Rand des Bürgersteigs, ihre Chucks ragen über die Bordsteinkante, die Hand hat sie hochgestreckt. Ein Taxi fährt rechts ran. Sie umarmt mich hastig, eine kurze Berührung von Fingerspitzen und Schulterblättern, und ohne ein Wort ist sie davon.
Ich war noch nie so spät allein in der Stadt unterwegs, und es ist menschenleer. Ich rufe Tiny an. Er geht nicht ran. Ich lande bei seiner Mailbox. »Du hast leider nur die Mailbox von Tiny Cooper erwischt, Komponist, Produzent und Star des neuen Musicals Tiny Dancer : Die Tiny Cooper Story . Tut mir leid, aber im Augenblick scheint etwas Aufregenderes in meinem Leben zu passieren als dein Anruf. Wenn sich die Aufregung etwas gelegt hat, ruf ich gern zurück. BEEP.«
»Tiny, wenn du das nächste Mal versuchst, mich mit einem Mädchen zu verkuppeln, das eigentlich einen Freund hat, kannst du mich dann wenigstens darüber informieren, dass sie eigentlich einen Freund hat? Wenn du mich außerdem nicht in fünf Minuten zurückrufst, gehe ich davon aus, dass
du mich wohl nicht brauchst, um nach Evanston zurückzukommen. Und du bist ein Arschgesicht. Das war’s.«
Auf der Michigan Avenue sind noch Taxis unterwegs, aber sobald ich in die nächste Nebenstraße abbiege, die Huron Street, ist es ganz still. Ich komme an einer Kirche vorbei und gehe dann die State Street entlang zu Frenchy’s. Schon drei Blocks vorher weiß ich, dass Tiny und Will nicht mehr da sind. Aber ich gehe einfach immer weiter, bis ich vor dem Laden stehe. Ich gucke nach rechts und nach links, aber nirgendwo ist jemand zu sehen. Außerdem kann Tiny sowieso nie die Klappe halten, deshalb würde ich ihn hören, wenn er in der Nähe wäre.
Ich fische zwischen dem Müll in meiner Jackentasche nach den Autoschlüsseln und ziehe sie raus. Die Schlüssel sind in das Briefchen eingewickelt, das Jane mir geschrieben hat, das Briefchen vom Schließfach-Houdini.
Als ich zu meinem Auto weitergehe, sehe ich auf dem Bürgersteig eine vom Wind aufgeblähte schwarze Plastiktüte. Mano a Mano . Ich lasse sie liegen, was soll’s. Womöglich mach ich damit jemanden glücklich.
Das erste Mal seit langer Zeit fahre ich ohne Musik. Ich bin ganz und gar nicht glücklich – ganz und gar nicht glücklich über Jane und diesen Mr.
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