Will & Will
küssen, und halte dabei die augen weit offen, weil ich die überraschung auf seinem gesicht sehen möchte und das glück. denn bei mir werde ich es nicht sehen können, noch nicht mal spüren. es fühlt sich nicht an, als würde ich ein sofa küssen. es fühlt sich an, wie wenn man einen jungen küsst. endlich, einen jungen.
er schließt die augen. er lächelt, als wir aufhören.
tiny: so habe ich mir das ende dieses abends auch nicht vorgestellt.
ich: erzähl.
ich möchte am liebsten wegrennen. aber nicht mit ihm. ich hab nur einfach keine lust, wieder in die schule oder in mein
normales leben zurückzukehren. wenn meine mutter nicht auf mich warten würde, dann würde ich es wahrscheinlich machen, das mit dem wegrennen. ich möchte wegrennen, weil ich alles verloren habe. ich bin mir sicher, wenn ich das zu tiny cooper sagen würde, würde er mir erklären, dass ich nicht nur etwas verloren, sondern auch etwas gewonnen habe. und dann würde er mir sagen, dass andere mütter auch hübsche söhne haben. oder so was ähnliches. aber ich würde ihm nicht glauben. ich glaube an diesen ganzen scheiß nicht.
tiny: hey – ich weiß nicht mal deinen namen.
ich: will grayson.
als ich das sage, springt tiny auf und schubst mich fast ins gras.
tiny: nein!
ich: ähm … doch?
tiny: das setzt dem ganzen ja die krone auf!
und er bricht in irres gelächter aus und brüllt in einem fort
tiny: ich habe will grayson geküsst! ich habe will grayson geküsst!
als er bemerkt, dass mir das mehr zusetzt als ein dutzend weiße haie, setzt er sich wieder hin und sagt
tiny: ich bin froh, dass du es bist.
ich muss an den anderen will grayson denken. ich frage mich, wie es ihm mit jane gerade geht.
ich: na ja, anders als der andere will grayson bin ich ja wohl nicht für seventeen geschaffen.
tinys augen funkeln.
tiny: er hat dir davon erzählt?
ich: ja.
tiny: sie haben ihn da total übergangen. ich war so wütend, dass ich sofort einen leserbrief geschrieben habe. aber den haben sie natürlich nie gedruckt.
ich verspüre tief in mir einen stich, dass d.a.w.g. einen freund wie tiny hat. ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendwer jemals wegen mir einen leserbrief schreibt. ich kann mir nicht mal vorstellen, dass von mir mehr als eine fußnote in einer trauerrede bleibt.
ich muss an alles denken, was an diesem abend passiert ist, und dass es niemanden gibt, dem ich davon wirklich erzählen kann, wenn ich nach hause komme. dann blicke ich wieder zu tiny und überrumple mich selbst, denn ich küsse ihn noch mal. weil verdammt noch mal, was soll’s. wirklich, verdammt noch mal.
das geht dann eine weile so weiter. ich fühle mich schon gleich total groß und stark, weil ich jemanden küsse, der so groß und stark ist. und in den kleinen pausen zwischendrin fragt er mich, wo ich wohne, was heute abend eigentlich los war, was ich mit meinem leben anstellen will und was meine
lieblingseissorte ist. ich beantworte seine fragen, so gut ich kann (also wo ich wohne und meine lieblingseissorte), und erkläre ihm, dass ich vom rest keine ahnung habe.
niemand beobachtet uns, aber ich habe allmählich trotzdem das gefühl, dass es so ist. deshalb hören wir irgendwann auf. und ich kann nicht anders, ich muss wieder an isaac denken und dass das mit tiny zwar eine interessante neue entwicklung ist, sich mein leben alles in allem aber immer noch so anfühlt, als wäre gerade ein tornado darüber hinweggefegt und hätte alles verwüstet. tiny ist so was wie die einzige winzige hütte, die noch übrig geblieben ist. ich habe das gefühl, dass ich ihm dafür was schulde, deshalb sage ich
ich: ich bin froh, dass es dich gibt.
tiny: ich freue mich gerade auch sehr.
ich: du täuschst dich total in mir.
tiny: du hast von dir ein völlig falsches bild.
ich: bitte hör auf.
tiny: nur wenn du selbst damit aufhörst.
ich: ich warne dich.
ich habe keine ahnung, was wahrheit mit liebe zu tun hat und umgekehrt. ich bring das hier auch nicht mit liebe in verbindung. dafür ist es viel zu früh. aber ich glaube, das mit der wahrheit nehme ich hier bei uns beiden ernst. ich will, dass es zwischen uns wahr und aufrichtig ist. und auch wenn ich mich gegen tiny wehre und auch wenn ich mich gegen mich selbst wehre, die wahrheit drängt immer stärker ans licht.
wir brauchen nur zeit, um herauszufinden, wie das alles verdammt noch mal zwischen uns funktionieren soll.
Elftes
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