Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Will & Will

Will & Will

Titel: Will & Will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Green , David Levithan
Vom Netzwerk:
Dann fangen sie zu spielen an. Und ich bin mir nicht sicher, wie ich ihre Musik beschreiben soll, außer dass sie sich anhört, als würden hunderttausend Lemminge in ein
siedend heißes Meer gekippt. Und dann beginnt der Typ zu singen:
     
    Früher hat sie mich geliebt, oh yeah
Aber jetzt hasst sie mich, oh yeah
Sie hat mich total geil gemacht
Aber jetzt treibt sie es
Mit anderen, Mann
Mit anderen, Mann
     
    Niemals, aber wirklich absolut niemals würde der Sänger von Neutral Milk Hotel sich solche Sätze ausdenken und sie erst recht nicht aufschreiben und schon gleich fünfmal nicht singen, es sei denn, man hätte ihm eine Lobotomie im Frontallappen verpasst. Und dann begreife ich: Ich habe draußen in der trübgrauen, abgasgeschwängerten Eiseskälte gewartet und bin wahrscheinlich schuld daran, dass Gary sich die Hand gebrochen hat, und das alles, um eine Band zu hören, bei der er sich ganz offensichtlich nicht um Neutral Milk Hotel handelt. Und obwohl Tiny sich nirgendwo in der Menge direkt um mich herum befindet, alles verdutzte NMH-Fans, denen es die Sprache verschlagen hat, schreie ich: »Zur Hölle mit dir, Tiny Cooper!«
    Als das Stück zu Ende ist, werden meine Befürchtungen bestätigt. Der Sänger sagt nämlich in die Totenstille des Publikums hinein: »Danke! Vielen Dank. NMH haben es leider nicht geschafft, aber wir sind Ashland Avenue, und wir sind hier, um es richtig rocken zu lassen!« Nein , denke ich. Ihr seid Ashland Avenue, und ihr seid hier, um uns alle anzuöden. Jemand tippt mir von hinten auf die Schulter. Ich drehe
mich um und da steht ein unglaublich sexy Mädchen vor mir. Lippenpiercing, leuchtrote Haare, halbhohe Boots, definitiv über einundzwanzig. Ich starre sie an. Sie sagt, leicht fragend: »Wir haben gedacht, Neutral Milk Hotel würden spielen?« Und ich starre auf den Boden und stammle: »Ich –« Eine Sekunde lang stottere ich und sage dann: » – auch. Ich bin auch wegen ihnen hier.«
    Das Mädchen beugt sich zu mir vor, um mir über die atonale, arhythmische Attacke auf jedes Taktgefühl, die sich hier Ashland Avenue nennt, hinweg ins Ohr zu schreien: »Ashland Avenue ist nicht Neutral Milk Hotel!«
    Es muss irgendwas mit dem übervollen Club zu tun haben oder mit der Fremdheit der Fremden, jedenfalls werde ich richtig gesprächig und schreie zurück: »So was wie Ashland Avenue spielen sie Terroristen vor, um sie zum Reden zu bringen.« Das Mädchen lächelt, und erst jetzt wird mir klar, dass ihr der Altersunterschied zwischen uns von Anfang an bewusst gewesen sein muss. Sie fragt mich, auf welche Schule ich gehe, und ich sage: »Evanston«, und sie fragt: » High School?« Und ich sage: »Ja, aber erzähl’s nicht dem Mann an der Bar«, und sie sagt: »Ich fühl mich jetzt richtig pervers«, und ich frage: »Warum?«, und sie lacht nur. Ich weiß, dass das Mädchen nicht wirklich auf mich abfährt, aber ich habe trotzdem eine leicht stolzgeschwellte Brust.
    Und dann legt sich eine riesige Hand auf meine Schulter. Ich drehe den Kopf und sehe den Middle-School-Abschlussring, den er seit der achten Klasse am kleinen Finger trägt, und weiß sofort: Es ist Tiny. Und da behaupten irgendwelche Idioten immer, dass Schwule Stil hätten.
    Ich drehe mich um und sehe, dass Tiny Cooper riesengroße
Tränen vergießt. Eine einzige dieser Tränen könnte ein Kätzchen ertränken. Ich forme meine Lippen stumm zu einem WAS IST LOS?, weil Ashland Avenue einfach verdammt zu laut spielen, als dass er mich hören könnte, und Tiny reicht mir nur sein Handy und geht weg. Auf dem Display ist seine Facebook-Startseite aufgerufen und dort zu einer Status-Meldung gescrollt.
     
    Billy geht es so: je länger ich darüber nachdenke, desto mehr frage ich mich, warum eine grosse Freundschaft zerstören? Aber ich finde Tiny trotzdem weiter total klasse.
     
    Ich quetsche mich durch eine Reihe von Leuten zu Tiny, ziehe seine Schulter zu mir herab und schreie ihm ins Ohr: »DAS IST ECHT SCHEISSE«, und Tiny brüllt zurück: »ICH BIN PER STATUS-MELDUNG ABSERVIERT WORDEN«, und ich antworte: »JA, HAB’S GESEHEN. ER HÄTTE DIR JA WENIGSTENS EINE SMS SCHICKEN KÖNNEN. ODER EINE MAIL. ODER EINE BRIEFTAUBE.«
    »WAS SOLL ICH DENN JETZT MACHEN?«, schreit Tiny und am liebsten würde ich darauf antworten: »Hoffentlich jemand finden, der weiß, dass man groß nicht mit ss schreibt«, aber ich zucke nur mit den Schultern, klopfe ihm kräftig auf den Rücken und schiebe ihn fort von Ashland Avenue,

Weitere Kostenlose Bücher