Will & Will
hin zur Bar.
Was, wie sich herausstellt, ein Fehler ist.
Kurz bevor wir an die Bar kommen, sehe ich an einem Stehtisch Vielleicht-Hetero-Jane herumlungern. Sie erzählt mir, dass Gary sich angewidert aus dem Staub gemacht hat. »War wohl alles ein Werbegag von Ashland Avenue«, sagt sie.
»Aber kein NMH-Fan würde sich jemals einen solchen Scheiß anhören«, sage ich.
Da guckt Jane mich mit großen Augen beleidigt an und sagt: »Mein Bruder ist der Gitarrist.«
Ich fühle mich wie das totale Arschloch und sage: »Oh, tut mir leid.«
Und sie sagt: »Das war ein Witz, Mann. Wenn er das wäre, würde ich ihn enterben.« An irgendeiner Stelle unseres 45-Sekunden-Gesprächs habe ich es fertiggebracht, Tiny aus den Augen zu verlieren, was keine leichte Aufgabe ist, undsoalso erzähle ich Jane von dem Facebook-Posting, mit dem er abserviert worden ist, und sie lacht immer noch, als Tiny mit einem runden Tablett, auf dem sechs Schnapsgläser mit einer grünlichen Flüssigkeit stehen, an unseren Tisch zurückkommt. »Ich trink eigentlich nichts«, erinnere ich Tiny, und er nickt. Er schiebt Jane ein Schnapsglas hin und sie schüttelt den Kopf.
Tiny kippt ein Glas runter, verzieht das Gesicht und atmet tief durch. »Schmeckt wie gepfefferter Satansschwanz.« Er schiebt noch mal ein Schnapsglas in meine Richtung.
»Klingt köstlich«, sage ich, »aber ohne mich.«
»Wie kann er bloß«, ruft Tiny und stürzt den nächsten Schnaps runter, »mit mir Schluss machen«, noch ein Schnaps, »nachdem ich ihm gesagt habe, dass ich ihn LIEBE, und das auch noch mit einem Status-Update?« Noch einer. »Wohin soll das auf dieser Welt bloß führen?« Der nächste. »Ich liebe ihn, Grayson, wirklich. Ich weiß, dass du denkst, ich rede wieder mal nur Schwachsinn, aber ich weiß, dass ich ihn in dem Augenblick, als wir uns geküsst haben, geliebt habe. Verdammt noch mal, was soll ich denn jetzt bloß machen?« Er erstickt mit dem letzten Schnaps ein Schluchzen.
Jane zupft mich am Ärmel und beugt sich zu mir. Ich spüre ihren warmen Atem an meinem Hals, als sie sagt: »Wenn der Schnaps erst mal seine Wirkung entfaltet, haben wir ein riesiges Problem.« Jane hat recht, beschließe ich und egal, Ashland Avenue sind sowieso eine Katastrophe, deshalb sollten wir das Hideout besser schleunigst verlassen.
Ich drehe mich zu Tiny, um ihm zu sagen, dass es höchste Zeit ist, nach Hause zu fahren, aber er ist verschwunden. Ich werfe einen Blick zu Jane, die mit besorgtem Gesichtsausdruck zur Bar starrt. Kurz darauf kommt Tiny zurück. Diesmal nur mit zwei vollen Schnapsgläsern, Gott sei Dank.
»Trink mit mir«, sagt er, und ich schüttle den Kopf, aber dann stößt Jane mich in die Seite, und mir wird klar, dass ich wohl oder übel in den sauren Apfel beißen muss. Ich wühle in meiner Hosentasche und gebe Jane die Autoschlüssel. Wenn ich Tiny davon abhalten will, auch noch den letzten Rest des plutoniumgrünen Fusels runterzukippen, gibt es nur einen Weg: Ich muss ein Glas mittrinken. Also greife ich nach dem Schnapsglas, und Tiny sagt: »Alles scheißegal, Grayson. Scheiß auf alle«, und ich sage: »Darauf trink ich einen«, und das tu ich auch, und dann trifft die Flüssigkeit auf meinen Gaumen und meine Zunge, und es fühlt sich an wie ein Molotow-Cocktail, alles explodiert und alles brennt. Ich kann nicht anders, ich spucke den Inhalt des ganzen Glases auf Tiny Coopers T-Shirt.
»Ein monochromer Jackson Pollock«, kommentiert Jane und sagt dann zu Tiny: »Wir müssen hier weg. Diese Band ist wie eine Wurzelbehandlung ohne Betäubung.«
Jane und ich gehen miteinander raus und vertrauen darauf (zu Recht, wie sich herausstellt), dass der plutoniumgrün gesprenkelte
Tiny, Opfer meiner alkoholallergischen Reaktion, uns folgen wird. Weil ich bei beiden Schnäpsen, die Tiny mir ausgeben wollte, versagt habe, wirft mir Jane in hohem Bogen die Schlüssel wieder zurück. Ich fange sie auf und setze mich hinters Steuer, nachdem Jane auf den Rücksitz geklettert ist. Tiny lässt sich auf den Beifahrersitz plumpsen. Ich lasse den Motor an und endlich hat die mächtige akustische Enttäuschung dieses Abends ein Ende. Aber auf der Heimfahrt denke ich schon kaum mehr daran, weil Tiny ständig über Zach weiterquasselt. So ist das nämlich mit Tiny: Seine Probleme sind so riesengroß, dass deine eigenen dahinter verschwinden.
»Wie kann man sich nur so täuschen?«, fragt Tiny über den krächzenden Lärm von Janes NMH-Lieblingslied hinweg (dem
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