Willenlos
vollen Zügen zu genießen.
»Am Türrahmen habe ich frische Kratzspuren entdeckt. Das Schloss selbst weist keinerlei Einbruchspuren auf. Hat aber nichts zu sagen. Ich habe einen Test mit meiner Scheckkarte gemacht – schwups, sprang die Tür auf. Wenn Bartram nicht abgeschlossen hatte …«
Joshuas Pulsschlag erhöhte sich. Er sah Jagger vor sich, der einem Hasen nachjagte, der längst in eine andere Richtung unterwegs war. Der Wind drehte sich, wurde heftiger und schob eine dunkle Wolke über ihn. So sehr er sich auch anstrengte, Joshua vermochte nicht hindurchzusehen, den darüber liegenden Sinn erkennen. Es war ein Leichtes, Bartram diese Taten anzulasten. Sie waren auf Anhieb darauf hereingefallen. Aber warum, welches Motiv trieb den Täter an?
Joshua verschob den Besuch bei Bornmeier, wollte sich zunächst mit Karin und Daniel absprechen. In den Akten zum Fall Bartram war er sehr schnell fündig geworden. Sandmanns Fingerabdrücke waren zunächst als Fremdspur geführt worden. Später hatte sich herausgestellt, dass der Installateur kurz vor dem Mord eine Reparatur im Badezimmer der Familie Bartram durchgeführt hatte. Seine Ehefrau hatte ihm für den Tatzeitpunkt ein Alibi gegeben, die Spur war von den Kollegen nicht mehr weiterverfolgt worden. Joshua berichtete von dem Besuch bei Opitz.
»Damit dürfte Bartram aus dem Schneider sein«, schloss Daniel, nachdem Joshua den verblüfften Kollegen das Ergebnis der KT mitgeteilt hatte, »wir werden ihn freilassen müssen.«
»Ja. Vor allem sollten wir die Personen, die noch an der Verhandlung damals beteiligt gewesen waren, ausreichend schützen, ich kümmere mich drum. Außerdem benötigen wir einen Haftbefehl gegen diesen Sandmann«, antwortete Joshua.
Daniel, der sich noch während Joshuas Ausführungen am Computer auf die Suche nach Hinweisen zu Edgar Sandmann gemacht hatte, fluchte laut.
»Herr Sandmann residiert seit einem halben Jahr in der hiesigen JVA ›Ulmer Höh‹, schwerer Raub mit Körperverletzung, vier Jahre und acht Monate.«
»Das gibt es doch nicht! Das ist doch unmöglich!« Joshua schmiss den Kugelschreiber an die Wand gegenüber. »Wie kommt der Fingerabdruck von jemandem an die Tür, der seit einem halben Jahr sitzt?«
Dass dieser Abdruck über einen so langen Zeitraum unversehrt an einem Türknauf haften blieb, glaubte niemand. Für eine Minute breitete sich Stille aus. Die Arbeit der letzten Tage war mit einem Schlag fast wertlos, die Resignation beinahe greifbar. Alle Hoffnungen galten nun einem Tag, der tief unterhalb der Gegenwart begraben lag. Wer war damals noch im Badezimmer der Bartrams?
»Wir müssen so schnell wie möglich die SoKo zusammentrommeln. 17 Uhr ist zu spät.«
Daniel wollte sich darum kümmern. Joshua musste dringender als zuvor Bornmeier aufsuchen.
»Ich werde Bartram Bescheid geben. Vielleicht bekomme ich den Namen aus ihm heraus«, sagte Karin und stand auf.
»Da ist noch etwas«, Joshua lehnte sich nachdenklich zurück, »zwei Zeugen haben Bartram identifiziert, eine davon war hundertprozentig sicher. Selbst List konnte erst nach genauem Hinsehen feine Unterschiede feststellen.«
»Stimmt«, antwortete Daniel, »der Täter muss eine enorme Ähnlichkeit zu Bartram aufweisen.«
»Wie ein Bruder«, schloss Karin, die die Akten ebenfalls gelesen hatte, »wir werden uns die Familie ansehen müssen.«
Bornmeier wirkte entsetzt, nachdem er von Joshua die negativen Neuigkeiten erfahren hatte. Ohne ein Wort öffnete der Staatsanwalt einen Schnellhefter vor ihm.
»Ich würde die Beweislage ausreichend nennen, obwohl ich persönlich als leitender Staatsanwalt mehr von meinen Ermittlern erwartet hätte.«
»Mehr als ausreichende Beweise?«
Joshua bemerkte die stumme Unterstellung in Bornmeiers Worten. Dem Staatsanwalt schien es schwer zu fallen, seinen Berufsstand zu diskreditieren. Mühsam suchte er nach einer passenden Formulierung, schließlich gab er auf. Nach einem kontrollierenden Blick zur Tür sprach er die Zweifel mit gesenkter Stimme aus.
»Eine Eifersuchtsszene Tage vorher wird als ausreichendes Mordmotiv herangezogen. Selbstverständlich kein Alibi, immerhin handelte es sich bei dem Tatort um die Wohnung des Beschuldigten.«
Bornmeier hob bei jeder Aufzählung einen Finger.
»Ein Gutachter, der Bartram als impulsiv bis cholerisch einstuft, was mich nicht wundert, immerhin wirft man ihm vor, seine Frau ermordet zu haben. Jede Menge seiner Fingerabdrücke am
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