Willenlos
Scheinwerfer montiert waren. Auf einem Schreibtisch in der rechten hinteren Ecke befanden sich zwei übergroße Monitore. Da Gegenüberstellungen nicht sehr häufig vorkamen, nutzte die Kriminaltechnik diesen Raum für Fotoarbeiten. Joshua begrüßte Staatsanwalt Bornmeier und Dr. Klumm, Bartrams Verteidiger, mit Handschlag. Die erste Zeugin, Johanna Witzorek, wurde in den Raum geführt. Es handelte sich um die Dame, die angab, Bartram an der Autobahnabfahrt Moers-
Nord erkannt zu haben. Die Männer begrüßten sie freundlich.
Ihre Augen wanderten die Reihe entlang, hafteten einen Moment am vorletzten Vorschlag und warfen noch einen kurzen Blick auf Person Nummer fünf. FrauWitzorek drehte sich um und nickte heftig.
»Die Nummer vier, eindeutig.«
Die Antwort in leicht polnischem Akzent klang bestimmt.
»Sind Sie ganz sicher«, meldete sich Dr. Klumm, »bitte sehen Sie sich noch einmal jeden genau an.«
Daniel räusperte sich. Dr. Klumm hatte ein Recht auf Anwesenheit, allerdings war es ihm nicht erlaubt, in irgendeiner Form Einflussnahme auszuüben. Mit einem Nicken deutete der junge Kollege am Schreibtisch an, diesen Versuch ins Protokoll aufgenommen zu haben.
»Ich bin ganz sicher«, antwortete sie leicht empört, »der Herr mit der Nummer vier ist der Mann, der mir die Vorfahrt genommen hat.«
»In Ordnung«, wandte sich Bornmeier an den uniformierten Kollegen an der Tür, »der Nächste bitte.«
Sandra Kluge betrat den Raum. Die Bedienung des Duisburger Cafés, in dem Hornbach kurz vor der Tat Gast war, hatte in einem ersten Gespräch angegeben, dass ihr der Mann auf dem Phantombild bekannt vorkam. Sie betrachtete jeden einzelnen der Männer hinter der Scheibe über eine Minute lang. Immer wieder wackelte sie zaudernd mit dem Kopf.
»Also … wenn ich mich für einen der Herren entscheiden müsste, würde ich sagen, es ist die Nummer vier.«
Dr. Klumm drängte sich an Bornmeier vorbei. Nach einem strengen Blick des Staatsanwaltes seufzte der Rechtsanwalt nur.
»Frau Kluge, Sie sollten sich ganz sicher sein. Bitte sehen Sie sich die Herren noch einmal an.«
»Wissen Sie, es war ziemlich viel los an dem Tag«, sprach sie zweifelnd, während ihr Blick die Reihe entlang glitt. »Ja. Ja, ich denke, die Nummer vier war an diesem Tag in unserem Café.«
»Sind Sie sich ganz sicher?«, fragte Bornmeier eindringlich, »Sie müssen Ihre Aussage möglicherweise vor Gericht unter Eid bestätigen.«
Die Unruhe war ihr anzusehen, ihre Lider flackerten. Noch einmal sah sie durch die Scheibe, diesmal aber nur auf Leon Bartram, die Nummer vier. Frau Kluge ließ sich sehr viel Zeit, bevor sie schließlich resolut zur Antwort ansetzte.
»Ja. Die Nummer vier war der Mann. Ehrlich!«
Dr. Klumm schüttelte wütend den Kopf. Ihn schien bereits der Gedanke zu beschäftigen, wie er diese Aussage vor Gericht in seine Einzelteile zerlegen würde.
Bornmeier schluckte, senkte für einen kleinen Moment verlegen die Augenlider, als Florenz List in Handschellen hereingeführt wurde. Immerhin hatten sie ihm gestattet, Privatkleidung anzulegen. List war Joshuas großer Hoffnungsträger. Der Ermittler wusste, dass die Aussage Sandra Kluges das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung erzielen konnte. Ihre Unsicherheit war Wasser auf die Mühle der Verteidigung. Florenz List dagegen hatte mit seinem bildhaften Gedächtnis dafür gesorgt, dass ihnen ein Phantombild zur Verfügung stand, welches Leon Bartram wie eine Fotografie ähnelte. Mehr noch, die Aussage eines bis zu seiner Verhaftung angesehenen Richters dürfte enormes Gewicht besitzen. Ein Pfund, dass Bartrams Anwalt kaum würde beiseite schieben können. List nahm die Aufgabe sehr ernst. Dreimal wanderten die Augen des Richters über die Gesichter der Männer. Joshua war sicher, List verfolgte mit dieser Gründlichkeit die Absicht, seiner Wahl weiteres Gewicht zu verleihen.
»Die größte Ähnlichkeit mit der Person, die mir im ›Piccolino‹ gegenüber saß, hat die Nummer vier. Allerdings sind seine Pupillen viel heller. Im Gegensatz zur Gesichtshaut, sie ist, wie soll ich mich ausdrücken, eine Nuance dunkler. Ja, das trifft es. Am markantesten war seine Stimme. Die würde ich wahrscheinlichwiedererkennen.«
»In Ordnung, Herr List. Was sollen die Herrschaften sagen?«, fragte Joshua eine Spur zu übereilt. List massierte grübelnd sein Kinn.
»Ich muss Sie in dieser Frage um ein wenig Geduld bitten.«
»Bitte, kein Problem, lassen Sie sich ruhig
Weitere Kostenlose Bücher