Willenlos
entwickelt. Dr. Rieger war der Schlüssel, sein Tod hatte den Weg in die Freiheit geebnet.
Einen winzigen Moment hing er der Vergangenheit nach. Wie wäre sein Leben verlaufen, wenn er damals einfach aus dem Badezimmer gerannt wäre und dieses Haus nie wieder betreten hätte? Wenn er seine Wut damals nicht eingetauscht hätte gegen diesen kurzen Augenblick der Befriedigung?
44
Um 14 Uhr fand die Zusammenkunft der SoKo statt. Daniel war den Kompromiss eingegangen, auf vier Kollegen zu verzichten, er wollte keine Zeit verlieren. Staatsanwalt Bornmeier berichtete im Wesentlichen das, was er Joshua bereits mitgeteilt hatte. Als Joshua die Freilassung Bartrams verkündete, zeichnete sich Frust in den Gesichtern der Anwesenden ab. Die Gefahr weiterer Verbrechen schwebte wie ein unsichtbares Tuch über den Köpfen. Die großen zeitlichen Abstände sowie die Ausübung der Taten sprachen für eine kühle Abwägung der Risiken, die der Täter bereit war einzugehen. Mit dem Ausscheiden Bartrams als letzten Verdächtigen musste es ein anderes Motiv geben. Nach Joshuas Überzeugung war es die Absicht des Täters, die einzige Person aus dem Verkehr zu ziehen, die den wahren Mörder Lydia Bartrams kannte.
»Das ergibt doch keinen Sinn«, meldete sich Oskar Zimmer, »warum zum Teufel hat er dann nicht direkt Bartram umgenietet?«
»Es muss irgendwas geben, womit Bartram den Täter in der Hand hat, eine Art Lebensversicherung, die ihn direkt ans Messer liefern würde und die beide kennen. Aber es kommt noch dicker.«
Joshua erzählte von dem Fingerabdruck, der laut den damaligen Ermittlungen zweifelsfrei von Edgar Sandmann stammt, was aber aufgrund Sandmanns Alibis unmöglich war.
Zimmer schüttelte vehement den Kopf.
»Das kann doch wohl nicht wahr sein! Das ist ja eine Riesenschlamperei! Außerdem kommt der im Knast an einen Beweis, den eine ganze Mordkommission übersehen haben soll?«
Joshua zuckte die Schultern, Zimmers Einwand war nachvollziehbar. Dieser Einwand war das Stichwort für Pille, wie die Kollegen Gamerschlag aufgrund zahlreicher dubioser Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel, die er täglich vertilgte, nannten.
»Möglicherweise übersehen wollte! Eine Woche nach der Tat hatte Klaus Dahlmann laut Aussage seiner Frau im Lotto gewonnen. Knapp über 200 000, zwar D-Mark, aber immerhin. Die Summe entsprach exakt dem Betrag, den es an diesem Wochenende für einen Sechser gegeben hatte. Dummerweise ist der Lottogesellschaft nichts von einem Gewinner namens Klaus Dahlmann bekannt. Wir bemühen uns bei seiner Bank, an die Kontobewegungen aus dieser Zeit zu gelangen. Heute Morgen war ich bei Robert Kraft, einem pensionierten Kollegen, der damals mit Dahlmann gemeinsam den Fall untersucht hatte. Er gab an, Dahlmann wäre ganz erpicht darauf gewesen, den Fall möglichst schnell abzuschließen. Die Spurensicherung war mit zweistündiger Verspätung eingetroffen, angeblich hatte Dahlmann vergessen, sie einzuladen. Kraft war das unerklärlich.«
Unruhe breitete sich aus. Niemand hatte das Unfassbare bis dahin an sich herangelassen. Jemand aus ihren Reihen hatte sich nicht nur bestechen lassen, er hatte einen Mörder geschützt und dafür gesorgt, dass ein Mensch unschuldig verurteilt worden war. Joshua hörte die Stimme seines Gewissens, sie klang so schrill, dass es beinahe schmerzte. Florenz Lists Ehrlichkeit hatte sie davor bewahrt, Leon Bartram erneut für schuldig zu befinden. Abermals wäre Bartram ins Gefängnis gewandert, diesmal lebenslang im Sinne des Wortes. All dies letztendlich aufgrund der verwerflichen Vorgehensweise eines Polizisten, dessen Aufgabe es war, der Gerechtigkeit zu dienen. Joshua fiel der ominöse Fingerabdruck ein. Für den leitenden Ermittler einer Mordkommission war es damals ein Leichtes, einen x-beliebigen Fingerabdruck aus der Datenbank als zutreffend in seinen Bericht zu übernehmen. Niemand würde diese Vorgehensweise grundlos anzweifeln, geschweige denn überprüfen. Joshuas Brustkorb spannte sich schmerzhaft.
»Was sagt die Witwe dazu?«, wollte Daniel wissen.
»Ich habe ihr die Anschuldigungen erspart, sie ist felsenfest von dem Lottogewinn überzeugt. Dahlmann hatte ihr nie etwas anderes gesagt.«
Der Duisburger Kollege Ludger Wachmann meldete sich. Zimmer warf ihm einen verächtlichen Blick entgegen. Offensichtlich erwartete der Kollege, von seinem Partner zuerst informiert zu werden.
Ȁhem, ich stelle mir Schwierigkeiten vor, was die
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