Willenlos
Karin klang zornig, »die einzigen Menschen, gegen die etwas vorliegt, sind Thalbach, Hornbach und List. Ich frage mich, warum dieser Ulrich so geworden ist, warum sein Vater ihn wirklich hasst.«
»Wir werden ihn vorladen, mehr ist nicht drin.«
Kurz nach 18 Uhr parkten Joshua und Karin vor dem weiß geklinkerten Einfamilienhaus in Meerbusch. Joshua hatte ihr Kommen telefonisch angekündigt. Frau Dahlmann hatte am Telefon reserviert geklungen. Joshua fragte sich, ob Pilles Anruf der Grund dafür war.
Komplett in Schwarz gekleidet, öffnete Frau Dahlmann die Tür, führte die Polizisten ins Wohnzimmer. Karin sah sich um. Das Zimmer wirkte unbewohnt. Keine Zeitschriften, keine Blumen, Obstschalen oder sonstige Utensilien. Fast wirkte der Raum wie ein abgetrennter Bereich eines Möbelhauses. Frau Dahlmann schien ihre Gedanken erraten zu haben.
»Ich betrete das Wohnzimmer nur noch, um es sauber zu halten. Hier war immer unser Lebensmittelpunkt. Es macht mich traurig, allein hier zu sitzen. Den Kindern geht es wohl ähnlich, sie verbringen die Freizeit überwiegend in ihren Zimmern. Ich denke, wir benötigen einfach mehr Zeit. Ich lese auch seitdem keine Zeitungen mehr oder sehe fern, ich möchte einfach nicht mehr daran erinnert werden, verstehen Sie?«
Karin nickte zustimmend. Joshua wurde wütend auf Klaus Dahlmann. Der Kollege hatte vielmehr zerstört als das Ansehen der Polizei.
Unterwegs hatte er mit Karin die Taktik besprochen. So schwer es ihnen auch fiel, sie konnten Frau Dahlmann nicht schützen, darüber waren sie sich einig. Die Wunde war erst wenige Wochen alt, die Betroffenheit lag dicht unter der Oberfläche, deutlich spürbar. Das Mitgefühl der Kollegen, ihre Hilfsbereitschaft, die vielleicht dazu in der Lage gewesen war, den Schmerz zu lindern und in ihr den Glauben aufrecht hielt, Klaus Dahlmann sei ein guter Mensch gewesen, all das mussten sie nun einreißen.
»Frau Dahlmann«, begann Joshua nach kurzem Blickkontakt mit Karin, »wir haben leider Grund zu der Annahme, dass die hohe Geldsumme, die Ihr Mann damals erhalten hat, nicht aus einem Lottogewinn stammte.«
»Was sagen Sie?«
Ihre hellblauen Pupillen tanzten unruhig zwischen Karin und Joshua.
»Woher sollte er das Geld denn sonst haben?«
Die Ermittler schwiegen. Die Stille machte Monika Dahlmann immer unruhiger.
»Nein, das kann nicht sein, Klaus war immer ehrlich. Der hätte niemals etwas Verbotenes getan. Ich dachte, Sie wollen den gemeinen Mord aufklären, stattdessen unterstellen Sie Klaus … das ist nicht Ihr Ernst.«
Blassrote Flecken breiteten sich über die Wangen der Witwe aus. Mit einer fahrigen Bewegung wischte sie eine dunkelblonde Strähne von der Stirn.
»Von der Lottogesellschaft stammte das Geld definitiv nicht. Wir haben das überprüft, nachdem es eine Anschuldigung gab. Frau Dahlmann, möglicherweise gibt es eine Erklärung, woher das Geld stammte. Gab es vielleicht eine Erbschaft? Können Sie sich eine andere Herkunft vorstellen? Wir müssen den Grund für die hinterhältige Tat finden, um das Verbrechen aufzuklären.«
Monika Dahlmann atmete in kurzen Zügen. Auch ohne psychologisches Feingefühl war ihr die Unwissenheit anzusehen. Klaus Dahlmann hatte ihr Vertrauen ausgenutzt. Vorstellbar, dass er sie schützen, sie nicht mit reinziehen wollte. Dieser Schutz verkehrte sich gerade ins Gegenteil, begann zu bröckeln wie poröser Beton.
»Unsere finanziellen Angelegenheiten hat Klaus immer geregelt. Ich habe ihm immer geglaubt, es gab auch keinen Grund …«, sie schluckte, ihre Augen wurden feucht, »eine Erbschaft gab es jedenfalls nicht. Ich wüsste auch nicht, woher das Geld stammen sollte, wenn nicht von der Lottogesellschaft. Er hat doch keine Bank ausgeraubt, oder?«
Sie klang unsicher. Die Angst, ihre Vermutung könne zutreffen, ihr verstorbener Mann postum zu einem Verbrecher deklariert werden, lag auf jeder Silbe. Karin spürte den Ansatz von Erleichterung, als sehne sie sich danach, ihrer Gesprächspartnerin Positives berichten zu können.
»Nein, das wohl nicht«, antwortete sie beruhigend. Dass es um Korruption ging, vermochte sie nicht anzufügen. Es war auch nicht mehr nötig. Monika Dahlmann dürfte ihnen in dieser Angelegenheit kaum weiterhelfen können. Sie hatten vorläufig die schmutzigste Klippe umschiffen können.
»Frau Dahlmann«, übernahm Joshua, »hatte Ihr Mann damals unmittelbar vor dem vermeintlichen Lottogewinn Kontakt zu einem Menschen, den Sie nie zuvor gesehen
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