Willi von Bellden - Wer anderen eine Grube gräbt ... (German Edition)
stammte, dessen Namen mir gerade nicht einfallen wollte, aber richtig war er trotzdem. Wir nahmen uns das beide zu Herzen. Manchmal rächten sich solche kleinen Differenzen, dann biss ich im Spiel eben etwas fester zu, was er mir tatsächlich nie übel nahm. Er konnte ganz schön was einstecken.
Dienstags hatten wir, zu meiner großen Freude, unseren Ausgehtag. An diesem Tag unternahmen wir ausgedehnte Spaziergänge, bei denen ich mich nach Herzenslust austoben konnte.
Und just an einem solchen Dienstag traf ich meine Angebetete vor der Haustüre des Nachbarhauses. Sie war eine schicke, überaus attraktive Labradordame. Anka hieß sie, und war einfach ... faszinierend, wenn nicht sogar umwerfend! Ich konnte meinen Blick kaum wenden, und wurde mir erst später bewusst, wie peinlich das gewirkt haben musste.
Egal. Ich merkte wie mein Herz einen gewaltigen Sprung tat und ein leichtes Vibrieren durch meinen Körper ging.
Tanner hatte zwar, gewissermaßen als Geschlechtsgenosse, großes Verständnis für meine Lage, an diesem Tag jedoch zerrte er mich einfach weiter, obwohl ich mich nach Kräften sträubte. Er schien mit seinen Gedanken ganz woanders zu sein. Hoffentlich bei Anny und den Kindern, denn darum sollte er sich meiner Meinung nach am ehesten kümmern.
So gingen wir weiter in Richtung Wald und ich musste mich wohl oder übel in Gedanken von meiner Hundeherzensdame verabschieden.
Mit einem tiefen Seufzer widmete ich mich einem meiner Hobbys, dem Sammeln von Gerüchen und Duftnoten, die es hier in Nähe des Waldes massenweise zu erkunden gab. Das merkwürdige an diesem Tag war, dass ich fast an jeder Ecke eine bestimmte, sehr streng riechende Markierung eines anderen Rüden witterte, der mir gänzlich unbekannt war. Das kam nicht oft vor, da ich alle Artgenossen aus dem Dorf kannte. Sehr interessiert schnupperte ich mal hier, mal dort, mit einem Auge immer bei meinem Herrchen, der, ganz in Gedanken versunken, ein Stück hinter mir ging.
Wir gingen an diesem Abend ein gutes Stück weiter in den Wald als üblich. Ich mag die Wälder hier in unserer Gegend. Sie sind weitläufig und man muss sich schon sehr gut auskennen, damit man das angestrebte Ziel in angemessener Zeit erreicht.
Tanner war normalerweise nicht gerade ein begeisterter Spaziergänger, er hatte erst nach der Trennung von Anny damit angefangen längere Streifzüge zu unternehmen. Umso mehr freute ich mich darüber, als er an der Abzweigung zur alten Eiche nach links abbog.
Ich raste zu ihm hin um ihn voller Freude anzubellen. Wie ich erwartet hatte deutete er es als Aufforderung zum Spielen. Sofort nahm er einen Stock und warf ihn in hohem Bogen gut 20 Meter weit. Ich hetzte hinterher, schnappte ihn und lief zurück.
Diese Spiele liebte ich. Seit die Kinder nicht mehr da waren kam ich immer weniger in den Genuss unbeschwerter Ausgelassenheit. So raste ich minutenlang über Wiesen und Äcker, und tobte mich so richtig aus.
Als wir den Waldrand erreichten ging das Stöckchen verloren, und wir spazierten einträchtig nebeneinander weiter. Laubbäume wechselten mit dichten Fichtenwäldern, die einen einluden den weichen Boden intensiver zu erforschen. Der Duft des modrigen Holzes war herrlich.
Mir war aufgefallen, dass der Geruch des anderen Hundes nachgelassen hatte.
Ich wusste nicht warum, aber er hatte mir die ganze Zeit über eine gewisse Angst eingejagt. Wenn ich ihn beschreiben müsste, würde ich sagen, er war groß und überaus aggressiv. Ich war froh ihn nicht mehr in meiner empfindlichen Nase zu haben.
Vielleicht klingt es für Menschen komisch, aber ich hatte diesen Hund noch nie gesehen und doch war mir der Bursche schon jetzt gänzlich unsympathisch. Wir Hunde beurteilen einander am Duft, wie die Menschen sich gegenseitig nach dem Aussehen einschätzen.
Fettige Haare, unrasiert, dreckige Hände? Schublade auf – mit dem will ich nichts zu tun haben – Schublade zu. Umdrehen. Weggehen.
So kategorisieren wir in Gerüchen.
Geruch streng, eklig und dominant? Schublade auf – Rüde, Großkotz, gefährlich! – Schublade zu.
Umso mehr freute ich mich den Duft meiner Herzenshündin zu wittern, als wir wieder Richtung Dorf gingen.
Wir hatten schon fast die Straße erreicht, die geradewegs zum Dorfplatz führte, als Tanner auf einmal einen Schlenker machte, und eine andere Richtung einschlug.
Ich war sehr überrascht, als er nach mir pfiff, denn ich war schon ein gutes Stück vorausgelaufen.
Scheiße, dachte ich, jetzt kommen
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