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Willkommen im sonnigen Tschernobyl

Willkommen im sonnigen Tschernobyl

Titel: Willkommen im sonnigen Tschernobyl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Blackwell
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warteten auf den Augenblick, in dem sich das menschliche Wesen, völlig aufgelöst vor Panik und Platzangst, die Mückenschutzjacke vom Leib reißt.
    Irgendwann erblickte ich den schlammigen Hügel, in den ich auf dem Hinweg eingesunken war – der einzige Orientierungspunkt in dieser Blättereinöde – und stolperte darauf zu. Ich wollte schon wieder darübersteigen, da hielt ich kurz an.
    Ich sah meinen Fußabdruck von vorhin. Er wimmelte vor Leben. Die kleine Erhöhung war in Wirklichkeit ein großer Ameisenhügel. Ich beugte mich vor und betrachtete den Abdruck. Ameisen, fieberhaft mit fetten, sich windenden Larven beschäftigt, liefen darin wild durcheinander. Sie purzelten über ihre Beute, hoben sie hoch und zogen sie aus dem Krater heraus, dieser gigantischen Bresche in ihrer Stadtmauer. Tut mir leid, Jungs.
    *
    Auf seine Art war Crane Lake sehr angenehm, und doch ist es bloß ein winziger grüner Flecken in einer unermesslichen Landschaft bisher nicht rekultivierter beziehungsweise noch aktiver Tagebauen. Außerdem ist es gar kein echter Präzedenzfall. Ich sprach später mit Mike Hudema von Greenpeace Kanada, und der machte sich lustig über das Konzept der Rekultivierung.
    »Wenn wir ein Areal zerstören, können wir es danach nicht wiederherstellen«, sagte er am Telefon. »Wir wissen nicht, wie das geht. Wir können etwas erschaffen … aber es ist nicht das, was vorher da war. Es ist nicht dasselbe, und auch das Leben in diesem Gebiet reagiert anders darauf.«
    Dass jemand von Greenpeace die Rekultivierung von Ölsandtagebauen skeptisch sieht, überraschte mich nicht besonders. Interessanter fand ich seine Behauptung, dass Crane Lake überhaupt nie Abbaugebiet gewesen sein soll.
    »Sie rekultivieren im Grunde die Gegend, in der sie den Abfall gelagert haben«, sagte Hudema. »Keinen Tagebau. Kein Absetzbecken.«
    Hudema gehörte zu den wenigen Menschen, die schon mal im Ölsandabbaugebiet gecampt haben. An einem sonnigen Herbsttag, nicht lange nach meinem Besuch, hatten er und einige seiner Mitstreiter einen Spaziergang durch Albian Sands, ein Abbaugebiet von Shell, gemacht.
    Natürlich kann eine Gruppe Greenpeace-Aktivisten nicht über einen Tagebau schlendern, ohne sich irgendwo anzuketten. In diesem Fall banden sie sich an einen Bagger und zwei Muldenkipper und rollten ein langes Transparent aus, auf dem TEERSAND – KLIMAVERBRECHEN stand. Die gesamte Mine musste fast eine ganze Schicht lang stillgelegt werden, und Hudema und seine Begleiter campierten rund dreißig Stunden auf den Maschinen, bis sie sich einverstanden erklärten zu gehen. (Später wurden die Ölsandgegner festgenommen und straf rechtlich verfolgt.) Das Ziel der Greenpeace-Aktivisten war, wie sollte es anders sein, in die Nachrichten zu kommen, für das Thema zu sensibilisieren und die Welt davon zu überzeugen, dass hier etwas auf dem Spiel stand, für das es sich lohnte, verhaftet zu werden. Bei ihnen hatte sich Kanadas Hassliebe zum Ölsand in reinen Hass verwandelt.
    Aber für mich sind sie auch eine Art Abenteuerreisende, und ich nahm an, Hudema hätte ein paar Tipps auf Lager für die zukünftigen Besucher von Fort McMurray. Sollten Wanderer einen Bolzenschneider einpacken?
    »Na ja, das ist leider der Teil, über den ich gar nicht reden kann«, sagte er. »Es ist so etwas wie eine Grundregel bei Greenpeace, dass wir nie darüber sprechen, wie wir auf die Gelände gelangen, weil die Frage, warum wir dorthin gehen, viel wichtiger ist.«
    Was für eine Enttäuschung. Ich hatte ein paar Ratschläge erwartet, ein paar Kriegsgeschichten. Waren wir nicht so etwas wie Kollegen? Verband uns nicht eine tiefe Faszination für die zerstörte Landschaft des Ölsandtagebaus – auch wenn seine Faszination politisch motiviert und meine eher naiv war?
    Denk nach, dachte ich. Denk dir irgendeine Frage aus, die seine Erfahrungen im Tagebau auf den Punkt bringt.
    »Was haben Sie gegessen?«
    »Wir haben all unsere Lebensmittel selbst mitgebracht und Verschiedenes gegessen«, antwortete er.
    Verschiedenes? Das klang nach einer Ausflucht. Ich holte zum entscheidenden Schlag aus.
    »Sie meinen Sandwiches?«, fragte ich.
    »Ich will wirklich nicht darüber sprechen, was genau wir gegessen haben«, sagte er.
    Hudema wollte zwar weder darüber reden, wie er auf das Gelände gekommen war, noch darüber, was er gegessen hatte, aber er war bereit, mir seinen Eindruck von der Mine zu beschreiben. »Eine kahle Mondlandschaft«, sagte er. »Es gibt

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