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Willkommen im sonnigen Tschernobyl

Willkommen im sonnigen Tschernobyl

Titel: Willkommen im sonnigen Tschernobyl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Blackwell
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Arthur zurück und war entsetzt von der Armut und Hoffnungslosigkeit, auf die er traf.
    »Ich machte kleine Spaziergänge und fragte mich, was zum Teufel passiert war«, erzählte er.
    In der Hoffnung, auf irgendeine Weise helfen zu können, beschloss Kelley, ganz zurückzukehren. Bald richtete sich sein Augenmerk auf die Umwelt, er kämpfte für bessere und regelmäßige Kontrollen und forderte vor den Raffinerietoren mit Schildern einen Wandel.
    »Als ich zurückkam, glaubte ich, ich würde hier zwei, drei Jahre bleiben«, sagte er. »Mittlerweile sind es zehn und ich sehe kein Ende dieses Kampfes für die Umwelt.«
    Wir fuhren weiter auf der Hauptverkehrsader West Seventh Street, die aus dem Stadtzentrum heraus durch Armenviertel zur Brücke über den Küstenkanal führte. »Die Menschen schrecken sogar davor zurück, hier nur durchzufahren«, sagte Kelley. »Man plant, eine neue Brücke zu bauen, damit niemand mehr die Seventh Street durch die West Side nehmen muss.«
    Er sagte, das sei Teil einer umfassenderen Strategie, wenn nicht einer Verschwörung, die West Port Arthur auszuhungern drohte. »Ich bin überzeugt, dass es einen Plan gibt, einen finsteren Plan. Ich habe dafür keine Beweise, aber ich würde überall aufstehen und es jedem auf den Kopf zusagen. Da ist eine Gemeinde mit einem dreißig Milliarden schweren Konzern auf der einen und einem Vierzig-Milliarden-Konzern auf der anderen Seite, und trotzdem gehört sie zu den heruntergekommensten Städten in ganz Texas. Da stimmt doch was nicht.«
    Neben dem Footballfeld der ehemaligen Highschool fuhr Kelley rechts ran. Er sah in den Rückspiegel. Während unserer Schneckentour durch das Viertel hatte er so schon mehrmals andere Autos vorbeigelassen.
    »Na los, fahr vorbei!«, sagte er. Irgendwann überholte unser Hintermann. Kelley blickte ihm nach.
    »Ich rechne jederzeit damit, verfolgt zu werden«, erklärte er. » Paranoid würd ich es nicht nennen. Eher vorsichtig. Und natürlich habe ich immer meinen kleinen Freund dabei.«
    Er zeigte auf eine kleine Hülle, die zwischen unseren Sitzen auf dem Boden lag.
    »Oh«, sagte ich. »Sie meinen –«
    »Richtig«, sagte er und hielt ein schweres Stück Metall in die Höhe, das sehr nach einer Pistole aussah.
    Der Nachmittag hatte eine unerwartete Wendung genommen. »Sie ist immer geladen, außerdem habe ich noch eine Kugel im Lauf.« Er sagte, zum Teil trage er die Waffe wegen der Kriminalität in Port Arthur – aber eben nur zum Teil.
    »Es gibt ein paar Leute, die mich nicht ausstehen kön-nen«, sagte er. »Sie halten mich für einen Unruhestifter und glauben, sie würden wegen mir ihre Jobs verlieren. Aber mir geht es nicht darum, dass die Raffinerien schließen. Ich bin nur der Meinung, dass sie wenigstens die bestehenden Vorschriften befolgen sollen. Den Clean Air Act. Und das tun sie nicht.«
    Ein Satz wie »Sie sollen den Clean Air Act befolgen« bekommt eine gewisse Dringlichkeit, wenn man dazu mit einer Knarre herumfuchtelt.
    Wir fuhren an einem Lagerplatz mit Bauelementen für den Ausbau der Motiva-Anlage vorbei. Kelley sprach über die Produkte der Raffinerien. Er wusste, dass sie wichtig waren, und dass wir alle sie verwendeten. Schließlich fuhr er selbst einen Pick-up, der auf hundert Kilometer wahrscheinlich 16 Liter ver brauchte.
    »Ich habe mich immer für mehr Sauberkeit und Sicherheit eingesetzt«, meinte Kelley. »Unsere Gesundheit könnte besser geschützt werden. Die Unternehmen sollten sich öffnen. Wir wollen wissen, was Sache ist, damit wir sachkundige Entscheidungen treffen können.« Wir bogen zweimal rechts ab auf Straßen, die von Pipelines flankiert waren.
    »Fairerweise muss man sagen, dass sie schon etwas besser geworden sind«, gab er zu.
    Dann hielt er an. Wir waren bei einem sozialen Wohnungsbauprojekt angekommen, zweistöckige Ziegelsteinbauten gegenüber der Motiva-Raffinerie. Kelley zeigte auf ein Haus.
    »Da drin bin ich geboren«, erzählte er. »Erster Stock.«
    Er wandte sich um und wies auf einen verlassenen kleinen Spielplatz gegenüber. »Dort war ich immer zum Schaukeln.«
    Ein paar Hundert Meter hinter dem Spielplatz befanden sich die Tanklager der Motiva-Raffinerie und dahinter die Raffinerie selbst, ein Dschungel aus Rohren und Türmen, Dampfwolken und gleißenden Gasflammen. Der Wind trug eine ranzige Brise zu uns herüber.
    »Wir atmeten diese Luft ein«, sagte Kelley und starrte auf die Raffinerie. »Und machten Witze darüber. Meine Mutter sagte immer:

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