Willkür
»Die Nächste trifft deine Eingeweide. Lass die Armbrust fallen und steig aus dem Koben.«
Niall gab auf, er fing an zu schluchzen, jedoch mehr aus Ärger, und warf mit der Armbrust nach der Sau. Als er sich aus dem triefenden Schlamm hochgerappelt hatte, starrte er hilflos auf den Dreck, der an seinen Händen und Hosenbeinen klebte. Er drehte sich um und kletterte über den Zaun. Kaum auf der anderen Seite angekommen, rutschte er aus und fiel Wyatt direkt vor die Füße.
»Gib mir den Rucksack.«
Etwas wacklig auf den Beinen, streifte Niall den Rucksack ab, jede Bewegung eine Anstrengung. »Ist nur mein Zeug, nichts weiter.«
Wyatt nahm ihm den Rucksack ab, trat zwei Schritt zurück und öffnete ihn mit einer Hand, in der anderen hielt er seine .38er. In der Tat, die Sachen, die Wyatt jetzt ins Gras schüttete, waren nicht annähernd zweihunderttausend Dollar wert. Niall hatte nur das Notwendigste eingepackt: Unterwäsche zum Wechseln, eine Brieftasche, ein Fahrtenmesser und Pfeile für die Armbrust. In der Brieftasche befanden sich fünfundsechzig Dollar und vier gestohlene Kreditkarten. Wyatt warf den Rucksack zu den Sachen ins Gras.
»Mal sehen, was dein alter Herr zu sagen hat.«
»Der weiß von nix«, zischte Niall.
»Deine Mutter also.«
»Die ist weg. Hat sich vor vor ’n paar Stunden verzogen.«
Mehr war aus Rossiters Sohn nicht herauszuholen. Sie nahmen den Weg zurück, den sie gekommen waren, Niall voran, mit hängenden Schultern. Über der Eingangstür brannte eine Lampe. Der Valiant stand auf seinem Platz, doch von dem VW keine Spur. »Nach hinten durch«, befahl Wyatt und dirigierte Niall mit der Waffe zum Hintereingang. Die Tür stand offen. Wyatt schob den Jungen vor sich her. »Lass dir nichts anmerken«, sagte er leise und sorgte dafür, dass der Lauf der .38er Niall die Richtung vorgab. Vorbei an der Waschküche, vorbei an dem Bad mit der tropfenden Dusche, betraten sie die leere Küche und von dort aus das Wohnzimmer. Rossiter saß im Dunkeln und vernichtete eine Flasche billigen Scotch.
Als er sie hörte, machte er rasch die Lampe an und das Licht warf Schattenrisse an die Decke und die Wände, die aus Rossiters Albträumen hätten stammen können. Sein Collingwood-Fußballjersey, das er anstelle eines Pyjamaoberteils trug, war voller Zigarettenasche. Er richtete seine geröteten Augen auf Wyatt und nickte ihm zu. »Dachte mir, dass du hier auftauchst.«
Die .38er gut sichtbar in der Hand, nötigte Wyatt beide Männer auf die Couch. Dann schloss er sie mit Handschellen aneinander. Sie wirkten bedrückt und leisteten keinen Widerstand. »Das musst du nicht machen«, sagte Rossiter, wohl wissend, dass diese Bemerkung überflüssig war. Er richtete seinen Blick auf Wyatt und bettelte förmlich um Verständnis. »Sie hat mich sitzen lassen, Junge, es tut mir Leid.«
Doch Wyatt kam ihm nicht entgegen, sondern starrte ihn nur unverwandt an. Rossiter konnte diesem bohrenden Blick nicht standhalten und wich ihm aus.
»Hat sie auch das Geld mitgenommen?«
Rossiter lachte bitter auf. »Sie hat den VW und meine letzten fünfzig Mäuse mitgenommen.«
Kalte Wut stieg auf in Wyatt und nahm seinem Gesicht jegliche Farbe. Er versetzte Rossiters Kopf einen Schlag mit der Faust.
»Sie hat mich verraten, damit Niall freikommt. Nur deshalb sitzt er jetzt hier!«
»Ja.«
»Du hast alles ausgespuckt über den Job, wo wir uns aufgehalten haben, einfach alles.«
In Rossiters Augen begann es zu flackern. »Sie ist doch meine Frau.«
»Das ist kein Argument«, erwiderte Wyatt. »Wem hat sie die Informationen geliefert? Einem Anwalt? Einem Richter? Oder einem Bullen?«
»Einem Bullen.«
»Name?«
»Napper. Hier vom Revier.«
»Und bei dem ist sie jetzt«, sagte Wyatt, »teilt sich mein Geld mit ihm.«
Rossiter dachte nach. Sein Gesichtsausdruck verriet, dass es eine Option sein könne, eine grausame zwar, aber eine Option. Doch dann sagte er: »Nein, klingt nicht nach Eileen. Für den Jungen immer, aber nicht für Geld.«
Wyatt sah ihn an. Sein Blick war leer. Nach einer Weile sagte er: »Das Syndikat hat jemanden zu Ounsted geschickt, der mich aus dem Weg räumen sollte.«
Rossiter schoss das Blut ins Gesicht. Er sah zur Seite. »Nun ... ja ... das ist ihre Schuld. Sie hatte gehofft, dass Napper dich heute Nacht schnappt oder dich sogar erschießt. Als du nun angerufen hast, hat sie Panik geschoben, weil sie weiß, dass du ihr das früher oder später heimzahlen wirst.«
»Und deshalb hat sie
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