Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt
arbeiten. Denn der Mistkerl von Mörder rückte mir immer näher. Wahrscheinlich hatte er mich gesehen, als ich in Carlos’ Café mit Dirk Holthausen sprach. Und ziemlich sicher hatte er beobachtet, wie ich aus der Werbeagentur von Ulf Meier kam. Er kannte mich, und vielleicht hatte er es sogar darauf angelegt, mir den Mord an Meier in die Schuhe zu schieben. Also nahm ich mir vor, ihn auch mal zu überraschen. Falls sich der Verdacht bestätigte, den ich insgeheim hegte, würde sich vielleicht bald eine Gelegenheit ergeben.
Axel Feldhaus wohnte in einem schlichten dreistöckigen Miethaus im Hansaviertel. Er lebte allein und musste um diese Tageszeit eigentlich der Kämmerin zu Diensten sein. Zur Sicherheit und um den Schein zu wahren, drückte ich ausgiebig auf seine Klingel. Dann erst nahm ich mir die Nachbarwohnungen vor.
Bei einer älteren Dame, die auf der selben Etage wie Feldhaus wohnte, hatte ich Glück.
»Davon weiß ich ja gar nichts«, sagte sie, meinen sauberen grauen Kittel musternd.
Ich studierte das Formular, das ich auf ein Klemmbrett geschoben hatte. Es stammte aus der unerschöpflichen Sammlung von Formularen, die niemand versteht, vermutlich nicht einmal die, die sie ausfüllen.
»Eindeutig das heutige Datum«, stellte ich fest. »Der Termin ist kurzfristig zustande gekommen, umzugsbedingt, nehme ich an.«
»Herr Feldhaus will ausziehen?«
»Normalerweise wären wir mit dem Ablesen der Heizung erst Ende des Jahres dran. Aber bitte! Ich bin nur der Techniker. Ich bekomme von meinem Chef die Adressen und fertig. Wahrscheinlich hat Herr Feldhaus den Termin vergessen. So etwas passiert uns häufig.«
»Was machen wir denn da?« Die grauhaarige Dame schien unsicher. »Für den Notfall hat Herr Feldhaus einen Schlüssel bei mir deponiert. Aber …«
Ich blätterte in meinen Unterlagen. »Wenn es heute nicht klappt, können wir frühestens in einem Monat wiederkommen.«
Das überzeugte sie endgültig. Sie holte den Schlüssel und schloss die Tür zu Feldhaus’ Wohnung auf. Während ich die Zähler suchte und die Zählerstände notierte, hielt sie scharfäugig Wache. Beim Hinausgehen blieb ich an der Tür stehen und ließ sie das Formular quittieren. So konnte ich unbemerkt eine unscheinbare, wenngleich wirkungsvolle Folie ins Schloss kleben.
Anschließend hatte sie Schwierigkeiten, die Tür abzuschließen. Nach dem dritten erfolglosen Versuch riet ich ihr, es aufzugeben. Bis zur Rückkehr von Herrn Feldhaus würde schon niemand einbrechen.
In neuer Verkleidung brauchte ich nur eine Stunde zu warten, bis die alte Dame das Haus verließ, um ihre Einkäufe zu tätigen. Dann klapperte ich, in einen Bundeswehrparka gehüllt und ein Einkaufswägelchen vor mich herschiebend, die Haustüren in Feldhaus’ Straße ab, wobei ich jeweils einen Stapel Zeitungen hinterließ. Die Zeitungen, von der kostenlosen und ungelesenen Art, wie sie jeden Tag kübelweise in den Hausfluren abgekippt wird, hatte ich an einem Verteilertreffpunkt geklaut.
Diesmal schellte ich ganz oben. »Zeitungen« brüllend, knallte ich einen Haufen Papier auf den Treppenabsatz, schloss geräuschvoll die Tür von innen, schlich den Kellerabgang hinunter und versteckte mich unter der Treppe.
Fünf Minuten später nahm ich Feldhaus’ Apartment zum zweiten Mal in Augenschein. Was ich im ersten Durchgang nur flüchtig betrachtet hatte, nahm ich mir jetzt gründlicher vor. Zum Glück war die Wohnung singlegerecht: eine kleine Küche, ein Wohn-Arbeitszimmer, ein Schlafzimmer, ein Badezimmer – zu wenig Platz, um Leichen oder größere Geheimnisse zu verstecken. Außerdem war Feldhaus ein ordentlicher Mensch, es lagen keine Abfall-, Kleider- oder Altpapierhaufen herum. Dafür mangelte es der Einrichtung an Kreativität und Gestaltungswillen – eben ein Junggesellen-Apartment.
Zuerst durchsuchte ich die Küche, kontrollierte von Olivenöl bis Fertigsuppen alle verschließbaren Gefäße. Das Bemerkenswerteste an der Küche war die Fernsehzeitschrift, die aufgeschlagen auf dem Küchentisch lag. Im aktuellen Programm hatte Feldhaus die Mini Playback Show angestrichen, die Lieblingssendung aller Päderasten. Allerdings interessierte mich Feldhaus’ sexuelle Orientierung im Moment weniger.
Das Badezimmer und das Schlafzimmer brachten auch nichts. Die schnieken Aufschneiderklamotten des Referenten hingen ordentlich im Kleiderschrank, die Schubladen offenbarten, dass der Mann sogar seine Unterwäsche bügelte. Unter dem Bett herrschte eine
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