Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt
Telgte.«
»Tankquittung?«
Ordentlich wie ich war, befand sich die Tankquittung im Portemonnaie.
Stürzenbecher nahm das Stück Papier. »Ich werde sehen, was sich machen lässt. Richte dich in der Zwischenzeit schon mal gemütlich ein!«
XV
Ich verbrachte einen ruhigen Abend. Niemand besuchte mich, und ich ging auch nicht aus. Das Bett war für meinen Geschmack etwas schmal, und ich konnte nicht sofort einschlafen, nachdem das Licht gelöscht wurde. Beim frühmorgendlichen Wecken hatte ich das Gefühl, erst kurz zuvor eingenickt zu sein. Das klebrige Weißbrot, das mir der uniformierte Zimmerkellner zum Frühstück brachte, schaffte es ebenfalls nicht, meine Stimmung zu heben. Aus verschiedenen Gründen, die sich wunderbar ergänzten, war ich völlig mies drauf.
Stürzenbecher musste so etwas geahnt haben, als er gegen halb acht vorbeischaute. »Du siehst aus, als würde dir unsere Hotelsuite nicht gefallen.«
»Sagen wir es mal so«, wollte ich nicht ungerecht erscheinen, »das Oriental in Bangkok liegt knapp drüber, aber das Chelsea Hotel in New York schlagt ihr um Längen.«
»Ich werde das Kompliment weitergeben«, lächelte Stürzenbecher. »Übrigens wird das Zimmer für einen neuen Gast gebraucht. Du darfst deine Sachen packen.«
Mein Blutkreislauf kam spontan auf Touren. »Wieso das?«
»Du hast ein unglaubliches Schwein. Der Tankwart in Telgte erinnert sich an dich. Und der Zeitpunkt, zu dem du angehalten hast, hätte nicht günstiger sein können: genau zwischen dem Anruf von Meier bei der Polizeistation in Warendorf und dem Eintreffen der Streife.«
»Als der Mörder zugeschlagen hat«, ergänzte ich. »So etwas nennt man Timing.«
Stürzenbecher begleitete mich bis zur Straße.
»Meine Pistole«, erinnerte ich ihn.
Er reichte sie mir. »Soll ich sie nicht lieber für dich aufbewahren? Dann muss ich sie dir nicht dauernd abnehmen.«
»Wenn ich das nächste Mal in dein Büro komme, treibe ich den Mörder vor mir her«, versprach ich.
Da stand ich nun in der frischen Morgenbrise, die eiskalte Luft von der Nordsee herüberschaufelte, und überlegte, was ich mit meiner neu gewonnenen Freiheit anfangen sollte. Ein klärendes Gespräch mit Jutta wäre nicht verkehrt, dachte ich. Ich schlug den Trenchcoatkragen hoch und stapfte gegen den Wind zu der Wohnung an der Promenade. Um diese Zeit musste die Kämmerin noch zu Hause sein.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite parkte ein grün-weißer Polizeiwagen mit braun-grünen Insassen. Wenigstens hatte Stürzenbecher Wort gehalten. Im Gegensatz zu mir.
Was mich Jutta deutlich spüren ließ, als sie die Tür öffnete. Statt einer Begrüßung sagte sie bitter: »Was hast du getan, Georg? Du vernichtest meine Karriere.«
»Einen weiteren Mord hätte ich mir persönlich übelgenommen«, verteidigte ich mich.
»Ach, Quatsch!«, fauchte sie. »Wozu bist du mein Leibwächter?«
»Ich war nicht da.«
»Na und? Eine Nacht komme ich auch alleine zurecht.«
»Und was ist mit Conny?«
»Conny, Conny. Die muss auf sich selbst aufpassen.«
»So geht das nicht, Jutta«, blieb ich beherrscht. »Ich spiele nicht mit Menschenleben.«
»So? Tust du nicht?« Sie war immer noch wütend. »Es war ein Fehler, dass ich dich gemietet habe. Deine Recherchen haben überhaupt nichts gebracht. Und zu allem Überfluss rennst du zur Polizei und plauderst Geheimnisse aus. Von einem Angestellten erwarte ich mehr Loyalität.«
»Ganz so war es nicht. Die Polizei hat mich verhaftet, weil ich wieder einmal in der Nähe war, als jemand ermordet wurde.«
»Ich hab’s gehört«, sagte sie knapp.
»Ulf Meier ist bereits das vierte Opfer und zum ersten Mal kein Politiker. Das bedeutet …«
»Erzähl mir nicht, was ich längst weiß«, würgte mich Jutta ab.
»Dann weißt du sicher auch, was es bedeutet, wenn ich ruhig zugucke, wie noch jemand ums Leben kommt. Juristisch nennt sich das unterlassene Hilfeleistung und ist strafbar.«
»Na schön.« Sie taxierte mich mit einem kühlen Blick. »Ich brauche dich nicht mehr, Georg. Ich habe ja jetzt Polizeischutz. Schreib mir bei Gelegenheit auf, was ich dir schuldig bin!«
So weit das Pflichtprogramm. Es war annähernd so hart ausgefallen, wie ich es mir vorgestellt hatte. Aber ich war nicht derart geknickt, dass ich mich an die Zentralheizung verkriechen und Jans und Tamaras Liebesgestöhn zuhören wollte. Jutta konnte mich zwar von ihrer Lohnliste streichen, aber sie konnte mir nicht verbieten, auf eigene Rechnung zu
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