Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt
du eigentlich mit heiler Haut davongekommen?«, wunderte ich mich. »Du hast Lewandowski doch das Foto geliefert.«
Stürzenbecher winkte ab. »Natürlich hätte er mir gerne die Sterne von der Schulter gerissen. Aber erstens darf er es gar nicht, mein Personalchef ist immer noch der Polizeipräsident von Münster. Und zweitens habe ich vorgesorgt. In der Lagebesprechung vor dem Rathausdesaster habe ich ausdrücklich zu Protokoll gegeben, dass ich es für falsch halten würde, zum jetzigen Zeitpunkt mit dem Foto an die Öffentlichkeit zu gehen.«
Lewandowski ließ mich eine Stunde warten. In höheren Polizeikreisen nannte man das wahrscheinlich psychologische Verhörtaktik. Dann kam er mit einem Kometenschweif von Untergebenen hereingestürmt. Zu meiner Beruhigung befand sich auch Stürzenbecher darunter.
»Herr Wilsberg!«, schmetterte er mir entgegen. »So sieht man sich wieder. Da haben Sie sich ja böse reingeritten.«
»In was?«, fragte ich scheinheilig.
»Einmal könnte man es ja noch als Zufall durchgehen lassen, dass Sie als Letzter mit dem Ermordeten gesprochen haben. Aber zweimal? Das kauft Ihnen kein Untersuchungsrichter ab.«
»Es ist die Wahrheit«, sagte ich schlicht.
Er pflanzte seinen Hintern auf den Schreibtisch, sodass ich zu ihm aufblicken musste.
»Es wäre besser, Sie würden ein Geständnis ablegen. Wir können die Sache aber auch als Indizienprozess durchziehen. Ich denke, wir haben ganz gute Karten.«
»Huh«, machte ich. »Sie wollen mir Angst einjagen.«
»Das brauche ich gar nicht. Ihnen geht auch so der Arsch auf Grundeis.«
»Sie haben nichts gegen mich in der Hand«, stellte ich fest.
»Da täuschen Sie sich gewaltig. Sie haben Ihre Fingerabdrücke in Meiers Büro hinterlassen. Und wir haben Meiers telefonische Aussage.«
»Ich gebe ja zu, dass ich bei Meier war.«
»Was wollten Sie von ihm?«
»Ich habe ihn vor dem Mörder gewarnt und ihm geraten, sich an die Warendorfer Polizei zu wenden.«
»Wie kamen Sie darauf, dass Meiers Leben in Gefahr war?«
»Dazu möchte ich keine Aussage machen.«
»So kommen wir nicht weiter, Herr Wilsberg.« Er hibbelte auf dem Schreibtisch herum.
Langsam bekam ich vom ständigen Hochgucken eine Nackenstarre. »Würde es Ihnen etwas ausmachen, sich auf einen Stuhl zu setzen? Ich weiß, dass man sich unterlegen fühlt, wenn man zu einem Gesprächspartner aufblicken muss. Aber der Trick ist so alt, dass ein erfahrener Mann wie Sie darauf verzichten kann.«
Einer der Paladine im Hintergrund kicherte, und Lewandowski sprang wie von einem Skorpion gebissen auf den Boden. »Werden Sie bloß nicht komisch, Wilsberg!«
»Herr Wilsberg, wenn ich bitten darf!« Ich massierte meinen Nacken. »Ich dachte nur daran, dass physiotherapeutische Maßnahmen von der Krankenkasse nicht mehr bezahlt werden.«
Lewandowski setzte sich widerstrebend. »Kennen Sie den Mörder?«
»Nein.«
Der Oberrat kraulte seinen Nasenrücken und tat so, als sei ihm eine Idee gekommen. »Mal angenommen, nur mal angenommen, der Mörder hat Sie aus irgendeinem Grund in der Hand. Vielleicht erpresst er Sie, oder er ist ein alter Freund von Ihnen. Also denken Sie, Sie müssten ihn schützen, um sich selbst zu schützen. In Wirklichkeit geraten Sie jedoch immer tiefer in den Sumpf, je länger Sie uns hinhalten. Ich garantiere Ihnen, wenn Sie uns den Namen nennen und wir den Mann überführen können, kommen Sie mit zwei, höchstens drei Jährchen davon. Andernfalls …«
»Ich weiß nicht, wer der Mörder ist.«
»Herrgott nochmal«, brauste Lewandowski auf. »Falls Sie es nicht selbst waren, muss Ihnen der Mörder doch gefolgt sein.«
»Nicht unbedingt«, widersprach ich. »Er befand sich nur zur selben Zeit wie ich in Warendorf.«
»Und woher wussten Sie, dass Meier ermordet wird?«
»Ich wusste es ja gar nicht. Ich habe lediglich vermutet, dass eine gewisse Gefahr bestehen könnte.«
»Fakten.« Der Oberrat knallte gebieterisch seine Hand auf den Tisch. »Hören Sie auf, um den heißen Brei herumzureden! Entweder Sie liefern uns Entlastungsmaterial, oder ich lasse Sie in Beugehaft schmoren, bis Sie schwarz werden.«
»Als Privatdetektiv unterliege ich der beruflichen Schweigepflicht. Im Interesse meiner Klientin.«
Er atmete tief durch. »Möchten Sie vielleicht einen Anwalt?«
»Nein, danke. Solange ich nur vorläufig verhaftet bin, muss ich das Honorar selbst bezahlen. Und das kann ich mir nicht leisten.«
Er lachte empört. »Hör sich einer das an!« Der
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