Wilsberg 17 - Wilsberg und die dritte Generation
Hinter dem vergammelten Stoffschrank in meinem Keller hängt ein gefälschter Personalausweis. Habe ich mir mal vor Jahren machen lassen – für den Notfall. Ich brauche nur jemanden, der den Flug für mich bucht.« Ich betrachtete das Muster der samtroten Tischdecke. »Du kannst Nein sagen. Ich würde es dir nicht übel nehmen.«
»Es ist nicht verboten, einen Flug für Gunter Wolfgram zu buchen.«
»Danke.«
Franka lächelte. »Ich nehme an, du hast nichts dagegen, wenn ich morgen früh deinem Keller einen kurzen Besuch abstatte.«
»Ganz und gar nicht.«
Ich war gerade eingeschlafen, als mein Handy klingelte.
»Wo sind Sie?« Regina Fuchs.
»In Münster bei einer Freundin.«
»Sie sind abgehauen?« In ihrer Stimme schwang eine Spur Anerkennung mit. »Ich dachte, Sie wollten Niemeyers Begründung hören, wieso man uns beinahe abgeknallt hätte.«
»Ich hab’s mir anders überlegt.«
»Die Bullen können Sie über Ihr Handy orten. Wahrscheinlich wissen die längst, wo Sie sind.«
»Niemeyer kennt diese Nummer nicht.«
Fuchs schwieg. Ich fragte mich, ob ich ihr von Helsinki erzählen sollte.
»Ich …«, sagten wir beide.
»Sie zuerst«, meinte Fuchs.
Ich erzählte es ihr.
Am nächsten Tag fuhr ich mit dem Zug zum Hamburger Hauptbahnhof und nahm dort ein Taxi zum Flughafen. Hamburg–Helsinki war die schnellste Verbindung, die Franka gefunden hatte. Ich checkte als Gunter Wolfgram ein und passierte die Sicherheitskontrolle. Als ich zur Bar ging, um mir einen Cappuccino zu gönnen, versperrte mir Niemeyer den Weg.
»Ich habe dafür gesorgt, dass Sie den Sitzplatz neben meinem bekommen«, sagte sie. »Sie haben doch nichts dagegen, hoffe ich.«
Ich starrte sie wütend an.
Die Polizistin runzelte die Stirn. »Sind Sie etwa sauer auf mich?«
»Soll ich nach dem, was in Bad Iburg passiert ist, nicht sauer sein?«
Sie nahm meinen Arm. »Lassen Sie uns einen Kaffee trinken.«
Als die Tassen vor uns auf der Theke standen, sagte Niemeyer: »Es war Theißing.«
»Der Verräter?«
Sie nickte. »Er ist völlig fertig. Es tut ihm sehr leid.«
»Weil wir entkommen sind?«
»Theißing hat eine Frau und ein Baby«, sagte Niemeyer. »Gestern Morgen, gleich nachdem er das Haus verlassen hatte, sind zwei Männer in seine Wohnung eingedrungen und haben die Frau bedroht. Sie zwangen sie, Theißing anzurufen und ihm ihre Forderungen zu übermitteln. Falls er nicht tun würde, was sie verlangten, würden sie das Baby mitnehmen. Was hätten Sie an seiner Stelle getan?«
»Warum habe ich bloß das Gefühl, dass uns die Gegenseite immer einen Schritt voraus ist?«
»Immerhin sind Fuchs und Sie noch am Leben. Das ist ein Pluspunkt für uns, finden Sie nicht? Wo ist Frau Fuchs eigentlich?«
»Weiß ich nicht.«
Niemeyer zuckte kurz mit dem Mund. »Haben Sie einen der Angreifer erkannt?«
»Ja. Den Mann, den ich in Felizia Sanddorns Düsseldorfer Wohnung getroffen habe. Damals nannte er sich Stefan Weingärtner und gab sich als ihr Freund aus. Etwa einen Meter fünfundneunzig groß, rotblonde Haare, schlank.«
Die Polizistin kniff die Augen zusammen. »Ich glaube, ich weiß, wen Sie meinen.«
Unser Flug wurde aufgerufen. Niemeyer bezahlte die Cappuccino und wir schlenderten zum Gate. Ich war immer noch unschlüssig, ob sie nicht bluffte und mich im letzten Moment wegen Urkundenfälschung festnehmen würde.
»Sie lassen mich tatsächlich fliegen?«
»Habe ich eine andere Möglichkeit zu erfahren, was Sie in Finnland wollen?« »Und woher wussten Sie …« »Seien Sie nicht albern, Herr Wilsberg«, winkte sie ab.
»Dass Sie Ihre Anwältin kontaktieren würden, war keine große Überraschung. Seit heute Morgen haben wir jeden Ihrer Schritte überwacht.«
»Sie dachten, ich führe Sie zu Regina Fuchs?«
»Exakt. Allerdings wusste ich da bereits, dass Frau Holtgreve für einen gewissen Gunter Wolfgram einen Flug nach Helsinki gebucht hatte. Es hat mich einige Überzeugungsarbeit gekostet, dafür zu sorgen, dass Wolfgram unbehelligt bleibt.«
Wir gaben unsere Bordkarten ab und gingen durch die ausfahrbare Röhre zum Flugzeug.
Irgendwo über der Ostsee, als wir Finnland näher waren als Deutschland, sagte ich: »Ich habe ein Gespräch zwischen Weingärtner und einem anderen Mann belauscht. Sie sprachen darüber, dass eine Journalistin, vermutlich Felizia Sanddorn, mit der Fähre nach Helsinki gebracht wird.«
Niemeyer schüttelte genervt den Kopf. »Verflucht noch mal, Wilsberg, das hätten Sie mir gestern
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