Wilsberg 17 - Wilsberg und die dritte Generation
eine andere Stimme.
Wir erreichten den Wald. Fuchs beugte sich vor und würgte. Ich drehte mich um. Unsere Fußspuren leuchteten im Schnee wie Hinweisschilder auf der Autobahn.
»Weiter!«, flüsterte ich. »Wir dürfen nicht stehen bleiben.«
»Ich kann nicht mehr«, sagte Fuchs und entsicherte die Pistole.
»Sie können.« Ich packte ihren Arm und zog sie in den Wald hinein.
Wir stolperten über Wurzeln.
Fuchs stöhnte. »Lassen Sie mich los!«
»Nur wenn Sie mitkommen.«
»Ich komme ja mit.«
Langsam gewöhnten sich die Augen an die Dunkelheit. Im Wald lag der Schnee nicht so hoch wie auf dem freien Feld, an einigen Stellen war das vermoderte Laub zu sehen. Ich wählte einen Weg, auf dem wir möglichst wenig Spuren hinterließen. Falls sie Hunde dabeihatten, würde das nichts nützen. Aber ich hatte keine Hunde gehört.
In einiger Entfernung polterte der Suchtrupp durch das Unterholz. Ab und zu fluchte einer der Männer. Wir liefen weiter.
Nach ein paar Minuten lehnte sich Regina Fuchs schwer atmend gegen einen Baum. »Wir schaffen das nicht.« »Wir schaffen es«, sagte ich. Trotz der Kälte rann mir der Schweiß über das Gesicht.
Sie war kreidebleich. »Mir wird schwarz vor Augen. Ich bin fertig, Wilsberg. Gehen Sie allein weiter, ich halte sie auf.«
»Kommt nicht infrage.« Ich schaute mich verzweifelt um. Neben uns fiel eine Senke ab, die Wurzeln des Baumes, vor dem wir standen, waren durch die Bodenerosion zur Hälfte freigelegt, darunter hatte sich eine kleine Höhle gebildet.
»Wir verstecken uns da«, flüsterte ich und deutete auf das Loch. »Klettern Sie schon mal runter!«
»Und was machen Sie?«
»Wenn unsere Fußspuren hier enden, erwischen sie uns sofort. Ich gehe ein Stück weiter und komme dann zurück.« Sie war nicht überzeugt, aber ihr blieb keine andere Wahl.
Deutliche Spuren hinterlassend, stampfte ich zu einem großen, schneefreien Laubhaufen. Dann ging ich rückwärts neben meinen eigenen Abdrücken zum Baum zurück, sodass es aussah, als hätten zwei Menschen den Laubhaufen erreicht.
Die Kuhle unter dem Baum war kaum einen Meter hoch. Wir mussten uns eng zusammenkauern, um nicht von oben gesehen zu werden. Ich legte meinen Arm um Fuchs, die vor Erschöpfung und Kälte zitterte.
Es dauerte keine zwei Minuten, bis wir Schritte vernahmen. Fuchs packte die Pistole mit beiden Händen.
»Hier sind sie lang«, sagte jemand.
Die Schritte entfernten sich wieder. Doch das bedeutete noch nichts. Falls sie clever waren und das Verschwinden der Spuren am Laubhaufen richtig interpretierten, würden sie zurückkommen und nach Verstecken suchen.
Obwohl wir nicht verstanden, um was es ging, konnten wir am Klang der Stimmen hören, dass sie erregt diskutierten.
»Die sind doch nicht blöd«, flüsterte Fuchs. »Die kommen zurück.«
»Abwarten«, sagte ich zuversichtlicher, als mir zumute war.
Schritte. Offenbar näherte sich ein einzelner Mann. Vor unserem Baum blieb er stehen. Ich hielt die Luft an.
Plötzlich quakte ein Funkgerät.
»Verstanden«, sagte der Mann, »okay.« Dann brüllte er in den Wald: »Hey, wir müssen abhauen. Sie sind schon in Glandorf.«
Zustimmung und Flüche aus verschiedenen Richtungen. Dann verebbten die Geräusche.
Wir blieben erst einmal, wo wir waren. Konnte ja sein, dass es sich um einen Trick handelte, um uns aus der Deckung zu locken.
Nach einer Viertelstunde kroch ich mit steifen Gliedern aus der Höhle und streckte den Kopf über die Baumwurzeln. Der Wald war leer.
Fuchs stützte sich auf meiner Schulter ab.
»Was machen wir jetzt?«, fragte ich.
»Ich weiß nicht, was Sie machen, aber ich setze mich ab. Allein.«
»Das ist verrückt.«
Sie schnaufte belustigt. »Einmal Polizeischutz reicht mir. Der Niemeyer traue ich genauso wenig wie den anderen Bullen. Sie haben doch gesehen, was dabei rauskommt, sie hat uns auf dem Silbertablett präsentiert.«
»Bestimmt gibt es dafür eine Erklärung.«
»Bestimmt. Aber ich will sie nicht hören.«
»Und wo wollen Sie hin?«
»Ich habe immer einen Unterschlupf für den Notfall. Langjährige Routine.« Sie zog einen Zettel und einen Stift aus der Tasche. »Wie kann ich Sie erreichen?«
Ich gab ihr die Nummer meines Handys, das ich aus dem Krankenhaus mitgenommen hatte. »Was ist, wenn ich zu Ihnen Kontakt aufnehmen will?«
»Lieber nicht.« Sie steckte den Zettel wieder in die Tasche. »Nehmen Sie es mir nicht krumm, aber von jetzt an mache ich es auf meine Tour. Und das heißt: kein
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