Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern
Gefangenen in mein Büro, und lassen Sie den Tanz weitergehen.»
Der Präsident zog eine Pistole aus seiner Hüfttasche und sah seinen fest verschnürten Gefangenen scharf an.
«Nun reden Sie!» sagte er.
«Ich würde dieses Ding wegstecken, wenn ich Sie wäre», sagte Wimsey verächtlich. «Es wäre eine soviel angenehmere Todesart als Stufe fünf, und das könnte mich in Versuchung bringen.»
«Sehr schlau», meinte der Präsident, «aber ein bißchen zu schlau. Also sagen Sie mir jetzt, was Sie wissen.»
«Verschonen Sie mich, wenn ich es Ihnen sage?»
«Ich verspreche nichts. Machen Sie schnell.»
Wimsey hob seine verschnürten, schmerzenden Schultern.
«Aber gern. Ich will Ihnen sagen, was ich weiß. Unterbrechen Sie mich, wenn Sie genug gehört haben.»
Er beugte sich vor und sprach leise. Über ihnen verkündeten der Lärm des Grammophons und das Scharren von Füßen, daß der Tanz weiterging. Zufällige Passanten, die über die Heide kamen, stellten nur fest, daß die Leute in dem einsamen Haus wieder einmal die Nacht durchmachten.
«Nun?» meinte Wimsey. «Soll ich fortfahren?»
Die Stimme des Präsidenten unter der Maske klang so, als ob er grimmig lächelte.
«Mylord», sagte er, «Ihre Geschichte läßt mich aufrichtig bedauern, daß Sie nicht wirklich Mitglied unserer Gesellschaft sind. Intelligenz, Mut und Fleiß sind wertvolle Eigenschaften in einer Organisation wie der unsern. Ich kann Sie wohl nicht überreden –? Nein, das dachte ich mir schon.»
Er ließ eine Glocke auf seinem Schreibtisch ertönen.
«Bitten Sie die Mitglieder in den Speisesaal», sagte er zu der eintretenden Maske.
Der «Speisesaal» befand sich im Erdgeschoß und hatte zugezogene Vorhänge und geschlossene Läden vor den Fenstern. In seiner Mitte stand ein langer, leerer Tisch mit Stühlen drumherum.
«Aha, ein Barmakidenschmaus», sagte Wimsey freundlich. Er sah diesen Raum zum erstenmal. Am anderen Ende klaffte drohend eine offene Falltür im Fußboden.
Der Präsident nahm am Kopfende Platz.
«Meine Damen und Herren», begann er wie gewöhnlich – und nie hatte diese alberne Höflichkeitsfloskel bedrohlicher geklungen –, «ich will Ihnen den Ernst der Situation nicht verhehlen. Der Gefangene hat mir über zwanzig Namen und Adressen genannt, die als geheim galten, nur ihren Besitzern und mir bekannt. Es war sehr viel Leichtsinn im Spiel –» seine Stimme klang hart –, «mit dem wir uns noch näher befassen müssen. Es wurden Fingerabdrücke gewonnen – er hat mir die Fotos einiger davon gezeigt. Wie unsere Kundschafter die Innentür des Safes übersehen konnten, wird auch noch Gegenstand einer Untersuchung sein.»
«Machen Sie ihnen keinen Vorwurf», warf Wimsey ein. «Sie war zum Übersehen da. Ich habe sie eigens so anfertigen lassen.»
Der Präsident fuhr fort, scheinbar ohne die Unterbrechung zu beachten.
«Der Gefangene hat mir mitgeteilt, daß das Buch mit den Namen und Adressen in diesem Innenfach zu finden ist, zusammen mit gewissen Briefen und Papieren, die aus den Häusern von Mitgliedern entwendet wurden, sowie zahlreiche Gegenstände, die authentische Fingerabdrücke tragen. Ich glaube ihm, daß er die Wahrheit sagt. Er bietet die Kombination des Safes für einen schnellen Tod an. Ich finde, daß dieses Angebot angenommen werden sollte. Was ist Ihre Meinung dazu, meine Damen und Herren?»
«Die Kombination ist längst bekannt», sagte Nummer Zweiundzwanzig.
«Dummkopf! Dieser Mann hat uns eben gesagt und mir bewiesen, daß er Lord Peter Wimsey ist. Bilden Sie sich ein, er hätte vergessen, die Kombination zu ändern? Und dann gibt es da auch noch die innere Geheimtür. Wenn er heute nacht verschwindet und die Polizei sein Haus betritt –»
«Ich sage», ließ sich eine volltönende Frauenstimme vernehmen, «man soll ihm das Versprechen geben und schnell handeln.»
Um den Tisch herum wurde zustimmend gemurmelt.
«Sie haben es gehört», sagte der Präsident zu Wimsey. «Die Gesellschaft bietet Ihnen das Privileg eines schnellen Todes für die Kombination Ihres Safes und das Geheimnis der Innentür an.»
«Habe ich Ihr Wort dafür?»
«Ja.»
«Danke. Und meine Mutter und Schwester?»
«Wenn Sie uns Ihrerseits Ihr Wort geben – Sie sind ja ein Mann von Ehre –, daß diese Frauen nichts wissen, was uns schaden kann, sollen sie verschont werden.»
«Danke, Sir. Sie dürfen bei meiner Ehre versichert sein, daß sie nichts wissen. Ich würde es mir nicht einfallen lassen, eine Frau
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