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Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Titel: Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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anderen von Ihnen mag der Gedanke gekommen sein, daß selbst die wohlbekannte Standhaftigkeit dieser beiden Kameraden im Verhör versagen könnte. Es besteht jedoch kein Grund zur Besorgnis. Die üblichen Anweisungen wurden herausgegeben, und heute abend habe ich die Nachricht erhalten, daß ihre Zungen nachhaltig stumm gemacht wurden. Sie werden gewiß froh darüber sein, daß diesen beiden tapferen Männern somit die Qual einer so großen Versuchung zur Ehrlosigkeit sowie die Schmach eines öffentlichen Prozesses und das harte Los einer langen Einkerkerung erspart geblieben sind.»
    Das erschrockene Einatmen der Anwesenden klang wie das Rascheln eines Gerstenfeldes, über das der Wind streicht.
    «Ihre Angehörigen werden auf die übliche Weise diskret entschädigt werden. Ich rufe Nummer Zwölf und Nummer Vierunddreißig auf, sich dieser schönen Aufgabe anzunehmen. Sie werden nach dieser Versammlung zu mir ins Büro kommen und sich ihre Instruktionen holen. Wären die genannten Nummern so freundlich, mir anzuzeigen, daß sie gewillt sind, diesen Auftrag zu übernehmen?»
    Zwei Hände wurden erhoben. Der Präsident sah auf die Uhr und fuhr fort: «Meine Damen und Herren, bitte wählen Sie Ihre Partner für den nächsten Tanz.»
    Das Grammophon plärrte wieder los. Rogers wandte sich einem jungen Mädchen mit rotem Kleid zu, das neben ihm stand. Sie nickte, und bald bewegten sie sich gemeinsam im Takt eines Foxtrotts. Stumm und ernst drehten sich die Paare. Ihre Schatten huschten über die Fensterjalousien, während sie sich vor- und rückwärts und im Kreis dahinbewegten.
    «Was ist nur los?» flüsterte das Mädchen leise, fast ohne die Lippen zu bewegen. «Ich habe Angst, Sie nicht? Ich habe das Gefühl, daß etwas Schreckliches bevorsteht.»
    «Es schlägt einem ein bißchen auf den Magen, wie der Präsident solche Dinge regelt», stimmte Rogers ihr zu, «aber es ist sicherer so.»
    «Diese armen Leute –»
    Ein Tänzer drehte sich um, folgte ihnen und tippte Rogers auf die Schulter.
    «Bitte keine Unterhaltungen», sagte er. Seine Augen funkelten streng. Dann wirbelte er seine Partnerin herum und verschwand im Gedränge. Das Mädchen erschauerte.
    Das Grammophon verstummte. Es wurde geklatscht. Dann versammelten sich die Tänzer wieder um den Stuhl des Präsidenten.
    «Meine Damen und Herren. Sie werden sich schon gefragt haben, warum diese außerordentliche Versammlung einberufen wurde. Der Grund ist ernster Natur. Der Fehlschlag unseres jüngsten Unternehmens war kein Unfall. Die Polizei war an diesem Abend nicht zufällig an Ort und Stelle. Wir haben einen Verräter unter uns.»
    Tanzpartner, die nah beieinander gestanden hatten, wichen mißtrauisch auseinander. Ein jeder schien in sich zusammenzuschrumpfen wie eine Schnecke, die man mit dem Finger berührt.
    «Sie erinnern sich vielleicht an den enttäuschenden Ausgang des Unternehmens Dinglewood», fuhr der Präsident mit seiner barschen Stimme fort. «Vielleicht erinnern Sie sich auch noch an andere, kleinere Begebenheiten, deren Ausgang unbefriedigend war. Alle diese Unannehmlichkeiten wurden nun an ihre Quelle zurückverfolgt. Ich bin glücklich, sagen zu dürfen, daß wir von nun an wieder ganz beruhigt sein können. Der Übeltäter ist entdeckt und wird ausgemerzt werden. Es werden keine Fehler mehr vorkommen. Das irregeleitete Mitglied, das den Verräter in unsere Gesellschaft eingeführt hat, wird an eine Stelle versetzt, wo sein Leichtsinn keinen Schaden mehr anrichten kann. Es besteht also kein Grund zur Besorgnis.»
    Aller Augen schweiften über die Versammlung und versuchten den Verräter und seinen Gönner ausfindig zu machen. Irgendwo mußte unter einer schwarzen Maske ein Gesicht blaß geworden, irgendwo unter dem erstickenden Samt der Schweiß auf eine Stirn getreten sein, und dies nicht von der Hitze des Tanzes. Doch die Masken verdeckten das alles.
    «Meine Damen und Herren, bitte wählen Sie Ihre Partner für den nächsten Tanz.»
    Das Grammophon stimmte eine alte, halbvergessene Melodie an: «Keiner ist da, der mich liebt.» Das Mädchen im roten Kleid wurde von einem hochgewachsenen Maskierten im Abendanzug geholt. Eine Hand auf seinem Arm ließ Rogers zusammenzucken. Eine kleine, rundliche Frau schob eine kalte Hand in die seine. Der Tanz ging weiter.
    Als er inmitten des üblichen Beifalls zu Ende ging, standen alle in starrer Erwartung da, jeder für sich allein. Der Präsident hob von neuem die Stimme.
    «Meine Damen und Herren,

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