Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten
der örtlichen Polizei unterhielt. Der sehr nachlässig in einen uralten Regenmantel, verschlissene Knickerbockers, unansehnliche Schnürstiefel mit Gamaschen gekleidete Mann mit einem Rucksack auf dem Rücken friß heftig die Hand zum Gruß hoch. Wimsey riß den Wagen forsch an den Straßenrand, wobei er fast die Hotelkatze überfuhr, und winkte ebenso heftig zurück.
«Hallo-allo-allo!» rief er. «Wo hat man Sie denn laufenlassen, alter Ganove?»
«Das wollen heute alle von mir wissen», antwortete der Schmuddelige und streckte ihm eine große, grobknochige Hand entgegen. «Anscheinend kann ich mich nicht mal irgendwo verdrücken, ohne daß gleich eine Großfahndung nach mir veranstaltet wird. Was soll das Ganze eigentlich?»
Wimsey sah den Konstabler an, der geheimnisvoll den Kopf schüttelte.
«Da ich den Auftrag bekommen habe, Nachforschungen zu betreiben –» begann der Polizist.
«Sie haben aber nicht den Auftrag bekommen, Geheimniskrämerei zu betreiben, oder?» unterbrach ihn der Schmuddelige.
«Was ist los? Soll ich vielleicht was ausgefressen haben? Wenn ja, was? Volltrunkenheit oder Erregung öffentlichen Ärgernisses? Oder ohne Rücklicht Fahrrad gefahren? Hab ich gegen Verkehrsregeln gefrevelt, oder was?»
«Also, Sir, Mr. Graham – was das Fahrrad angeht, Sir, da würde ich schon gern wissen –»
«Unschuldig diesmal», antwortete Mr. Graham prompt. «Ausgeliehen ist außerdem nicht dasselbe wie gestohlen, oder?»
«Sie leihen sich Fahrräder aus?» fragte Wimsey interessiert.
«Das sollten Sie nicht. Üble Angewohnheit. Fahrräder sind der Fluch dieses Landes. Erstens liegt ihr Schwerpunkt viel zu hoch, zweitens sind ihre Bremsen nie in Ordnung.»
«Ich weiß», sagte Graham. «Eine Schande ist das. Jedes Fahrrad, das ich mir ausleihe, ist schlechter als das vorherige. Da muß ich oft ganz deutlich werden. Neulich hab ich mir mit Andys Karre doch fast das Genick gebrochen.»
«Ah!» sagte der Wirt, der während dieser Unterhaltung hinzugekommen war. «Dann waren Sie das, Mr. Graham, der das Fahrrad von dem Jungen genommen hat? Dürfen Sie ja gern, ich sag ja gar nichts dagegen, aber der Junge war ganz schön aus dem Häuschen, weil er nicht wußte, wo das Ding geblieben war.»
«Ist es denn schon wieder weg?» fragte Graham. «Aber ich sag ja, diesmal bin ich unschuldig. Sie können Andy bestellen, daß ich mir sein Fahrrad nie wieder ausleihe, solange er nicht die Güte hat, es mal zu reparieren. Und wer’s diesmal genommen hat – ich kann nur sagen, Gott steh ihm bei, denn wahrscheinlich wird man ihn irgendwo tot im Straßengraben finden.»
«Das mag ja sein, Mr. Graham», sagte der Konstabler, «aber jetzt wäre ich froh, wenn Sie mir mal sagten –»
«Zum Kuckuck aber auch!» rief Jock Graham. «Nein, ich sage Ihnen nicht, wo ich war. Warum sollte ich auch?»
«Passen Sie mal auf, mein Alter, das ist so», sagte Wimsey. «Sie haben in Ihrer geheimnisvollen Abgeschiedenheit vielleicht schon gehört, daß man Campbell gestern nachmittag tot in einem Bach gefunden hat.»
«Campbell? Großer Gott, nein! Davon weiß ich nichts. So, so, so. Hoffentlich werden ihm seine Sünden vergeben. Was hat er denn gemacht? Wieder mal zuviel gepichelt und in Kirkcudbright über die Hafenmauer spaziert?»
«Das nicht. Wie es aussieht, ist er beim Malen ausgerutscht und hat sich auf den Steinen den Schädel eingeschlagen.»
«Schädel eingeschlagen? Also nicht ertrunken?»
«Nein, nicht ertrunken.»
«Soso. Nun, ich hab ihm ja schon immer gesagt, er ist nur zum Aufhängen geboren, aber jetzt hat er sich anscheinend auf andere Weise davongeschlichen. Immerhin ist er nicht ertrunken, insofern hatte ich recht. Na ja, armer Teufel, nun ist er futsch. Auf den Schrecken sollten wir mal reingehen und einen trinken, glaub ich. Auf daß die liebe Seele Ruhe findet. Gemocht hab ich den Kerl ja nie, aber irgendwie tut’s mir leid, daß ich ihn jetzt nicht mehr ärgern kann. Trinken Sie einen mit uns, Konstabler?»
«Vielen Dank, Sir, aber wenn Sie jetzt so freundlich wären–»
«Überlassen Sie das mir», flüsterte Wimsey, indem er den Konstabler am Arm zupfte und Graham in die Bar folgte.
«Wie haben Sie’s nur fertiggebracht, noch nichts davon gehört zu haben, Jock?» fragte er, nachdem sie ihre Getränke hatten.
«Wo haben Sie denn die letzten beiden Tage gesteckt?»
«Das wäre gepetzt. Sie sind ja genauso neugierig wie unser Freund hier. Ich habe einfach ein Leben der
Weitere Kostenlose Bücher