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Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten

Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten

Titel: Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Zurückgezogenheit geführt – kein Klatsch, keine Zeitungen. Aber erzählen Sie mir doch mal von Campbell. Wann ist das passiert?»
    «Man hat seine Leiche um zwei Uhr nachmittags gefunden», sagte Wimsey. «Um fünf nach elf hat man ihn anscheinend noch quicklebendig beim Malen gesehen.»
    «Das ist ja dann diesmal schnell gegangen. Wissen Sie, ich hab mir schon oft gedacht, da oben in den Bergen könnte mal einer verunglücken und wochenlang verschollen bleiben. Aber die Stelle da am Minnoch ist doch ziemlich besucht – jedenfalls in der Angelsaison. Ich nehme doch nicht an –»
    «Und darf ich fragen, Sir, woher Sie wissen, daß der Unfall sich am Minnoch ereignet hat?»
    «Woher ich –? Oho! Also, um eine überaus wohlanständige und züchtig gekleidete Dame zu zitieren, die ich mal zufällig in der Theobald’s Road im Gespräch mit einer Freundin belauscht habe: Da steckt mehr drunter, als das bloße Auge sieht. Diese neugierigen Fragen alle, wo ich gesteckt habe, und Campbells eingeschlagener Schädel – verstehe ich recht, Konstabler, daß ich verdächtigt werde, dem guten Mann eins übergezogen und ihn in den Bach geworfen zu haben, wie der fremde Ritter in der Ballade?»
    «Nun ja, Sir, nicht direkt, aber im Zuge der Ermittlungen –»
    «Aha!»
    «Aber nicht doch!» rief der Wirt, dem das Licht etwas langsamer aufging. «Sie wollen doch nicht sagen, daß der arme Mann errrmorrrdet worrrden ist?»
    «Das wollen wir mal dahingestellt sein lassen», meinte der Konstabler.
    «Genau das will er aber sagen», stellte Graham fest. «Ich lese es in seinen ausdrucksvollen Augen. Das ist ja eine schöne Geschichte – so was in unserer friedlichen Landgemeinde.»
    «Schrecklich wäre das!» rief der Wirt.
    «Na los, Jock», sagte Wimsey. «Erlösen Sie uns schon von unserer Qual. Sie sehen doch, wie die Spannung an uns nagt. Woher wußten Sie denn, daß Campbell am Minnoch war?»
    «Telepathie», antwortete Graham mit breitem Grinsen. «Ich lese eure Gedanken, und vor meinen Augen formt sich das Bild – ein Bachbett voller spitzer Steine – der steile Granithang – die Brücke – die Bäume und das dunkle Wasser darunter – und ich sage: ‹Beim Zeus, der Minnoch!› Ganz einfach, Watson.»
    «Wußte gar nicht, daß Sie Gedankenleser sind.»
    «Ein verdächtiger Umstand, nicht? Aber ich bin ja gar keiner. Ich wußte, daß Campbell gestern zum Minnoch wollte, weil er’s mir gesagt hat.»
    «Ihnen gesagt?»
    «Mir gesagt. Warum denn nicht? Manchmal hab ich sogar mit Campbell gesprochen, ohne ihm meine Stiefel nachzuschmeißen. Am Montag hat er mir erzählt, daß er anderntags zum Minnoch fahren und die Brücke malen wollte. Er hat sie sogar für mich skizziert – ächzend und stöhnend, ihr kennt ihn ja.»
    Graham holte ein Stück Kreide aus der Tasche und fing an, auf der Theke herumzumalen, das Gesicht zu einer lebensechten Karikatur von Campbells kräftigem Kinn und den wulstigen Lippen verzogen, während seine Hand mit Campbells schnellen, fahrigen Strichen die Konturen zog. Vor ihren Augen entstand das Bild mit der gespenstischen Geschwindigkeit einer Trickzeichnung auf der Filmleinwand – der Bach, die Bäume, die Brücke und die weißen Wolkenmassen: dem echten Bild so ähnlich, das Wimsey auf der Leinwand hatte stehen sehen, daß er bis ins Mark erschrak.
    «Sie sollten sich Ihr Geld als Imitator verdienen, Jock.»
    «Das ist ja mein Kreuz. Zu vielseitig. Kann in jedermanns Stil malen, nur nicht in meinem eigenen. Die Kritiker irritiert das ganz schön: ‹Mr. Graham noch immer auf der Suche nach einem individuellen Stil› – etwa in der Art. Aber Spaß macht’s. Paßt mal auf, jetzt kommt Gowan.»
    Er wischte die Skizze weg und malte dafür eine lebendige Kreideimpression von einem typischen Gowan – trutziger Grenzturm, weite Küste, im Vordergrund ein Boot mit kräftigen Fischern über ihren Netzen.
    «Und nun Ferguson – ein einzelner Baum mit dekorativem Wurzelwerk, Spiegelbild desselben im Wasser – dunstig-blaue Ferne; überhaupt alles Blau in Blau – ein Steinhaufen wegen der Symmetrie. Hier ist ein Farren – Blick über die Dächer von Kirkcudbright mitsamt Markthalle, wie Noahs Arche aus Ziegelsteinen – Zinnoberrot, Neapelgelb, Ultramarin – kunstvolle Naiveté , und ohne Schatten. Waters – ‹keiner von diesen Scharlatanen macht sich noch die Mühe, zu zeichnen› – Vogelperspektive von einem Steinbruch, jede Einzelheit erkennbar – Pferdefuhrwerk stark verkürzt

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