Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten

Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten

Titel: Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
Vom Netzwerk:
waren weit in die Wiesen hinaufgegangen und hatten vor, noch lange dort zu bleiben, doch Helen war gegen Viertel vor zehn eingefallen, daß ihre Eltern bald nach Hause kommen würden, hatte die Jungen alleingelassen und sich über die Straße auf den Heimweg gemacht. Daß es Viertel vor zehn war, wußte sie, weil einer der Jungen eine neue Uhr besaß, die sein Großvater ihm geschenkt hatte.
    Sie ging quer über die Wiesen und wollte gerade über den Steinwall auf die Straße klettern, als sie einen Mann in einem Wagen sitzen sah, der am Straßenrand stand, mit der Schnauze in Richtung Gatehouse. Der Motor lief, und gerade in diesem Augenblick lenkte der Fahrer das Auto quer über die Straße, als ob er wenden wollte. Im selben Moment hörte sie aus Richtung Gatehouse ein anderes Auto kommen.
    Sie beschrieb die Stelle sehr genau. Es war nicht die schärfste und gefährlichste Stelle in der Kurve, wo die Wälle auf beiden Seiten am höchsten waren, sondern sozusagen der untere Bogen des S, der näher auf Kirkcudbright zu lag. Die Kurve war hier nicht so scharf und etwas breiter, und auf der Seite, wo das Mädchen stand, war der Steinwall halb eingesunken und von Brombeerranken und anderem Gestrüpp überwachsen. Das nahende Auto kam schnell durch den oberen Bogen des S gefahren, gerade als das erste Auto mitten auf der Straße stand und den Weg blockierte. Bremsen quietschten laut, und das zweite Auto kam wild schleudernd zum Stehen. Ein wahres Wunder, daß es keinen Zusammenstoß gab. Dann hatte der Fahrer etwas gerufen, und der erste Mann hatte geantwortet, und dann hatte der Fahrer des zweiten Wagens laut und wütend gerufen: «Campbell, natürlich! Das kann ja nur Campbell sein» – oder so etwas Ähnliches.
    Dann waren Schimpfwörter hin und her geflogen, und Campbell hatte den Motor abgestellt und war ausgestiegen. Sie hatte ihn auf das Trittbrett des anderen Wagens springen sehen. Es gab ein Handgemenge, und im nächsten Augenblick wälzten sich beide Männer prügelnd auf der Straße. Schläge und Kraftausdrücke prasselten nur so. Helen konnte nicht genau sehen, was vor sich ging, da die beiden Männer sich hinter den Autos prügelten. Sie lagen beide am Boden und schienen sich übereinander und umeinander zu wälzen. Sie konnte auch nicht sagen, was es für Autos waren, nur daß Campbells Auto ein Viersitzer und das andere ein großer Zweisitzer mit sehr hellen Lichtern war.
    Nachdem der Kampf eine Weile getobt hatte, bekam sie es mit der Angst zu tun. Plötzlich flog ein großer Schraubenschlüssel durch die Luft. Er verfehlte ihren Kopf um Haaresbreite und landete dicht neben ihr. Sie duckte sich wieder hinter den Wall, einerseits zu verängstigt zum Dableiben, andererseits zu neugierig zum Fortlaufen. Schreckliche Geräusche drangen an ihre Ohren, als ob jemand erschlagen und erdrosselt würde. Nach einer kleinen Weile wagte sie wieder aufzublicken, und was sie da sah, erschreckte sie noch mehr. Ein Mann erhob sich am Straßenrand, und auf den Schultern hatte er den Körper eines anderen Mannes. Dieser baumelte so schlaff herunter, daß sie dachte, der Mann müsse tot sein. Sie schrie nicht, weil sie fürchtete, daß dieser schreckliche Mann sie dann hören und auch umbringen würde. Er trug den andern zu dem Zweisitzer und warf ihn auf den Beifahrersitz. Das war der Wagen, der näher auf Gatehouse zu stand. Sie sah das Gesicht des lebenden Mannes nicht, denn sein Kopf war unter der Last, die er trug, ganz nach unten gebeugt, aber als er vor den Scheinwerfern des Viersitzers vorbeiging, um zu dem anderen Wagen zu kommen, sah sie das Gesicht des Toten, und das sah ganz schrecklich und weiß aus. Beschreiben konnte sie es nicht, aber sie glaubte, es sei glattrasiert und die Augen geschlossen gewesen. Der schreckliche Mann hatte sich dann hinters Steuer gesetzt und den Zweisitzer rückwärts durch die Kurve in Richtung Gatehouse gefahren. Sie hatte den Motor an- und abschwellen hören und die Lichter hin- und herwandern sehen, als ob der Wagen gewendet würde. Dann hatte sie ihn weiterfahren hören, bis der Motorlärm nach und nach erstarb.
    Als der Wagen fort war, kletterte sie über den Steinwall und wollte sich den Viersitzer ansehen, der noch immer halb quer über die Straße stand, die Schnauze in Richtung Gatehouse und die Scheinwerfer auf die gegenüberliegende Straßenseite gerichtet. Bevor sie ihn sich aber ansehen konnte, hörte sie aus Richtung Gatehouse Schritte nahen. Zuerst hoffte sie, es sei

Weitere Kostenlose Bücher