Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten
Sie», sagte Wimsey. «Sie sind im Lügen kein Naturtalent, Mrs. Farren. Bis Donnerstag waren Sie aufrichtig besorgt und in Angst um Ihren Mann. Am Freitag haben Sie noch besorgt getan, waren es aber nicht. Heute mutmaße ich, daß Sie am Freitagmorgen einen Brief von Ihrem Mann bekommen haben, und Sie schließen daraus gleich, daß die Polizei sich Ihrer Korrespondenz angenommen habe. Also haben Sie einen Brief erhalten. Warum leugnen Sie?»
«Warum sollte ich Ihnen etwas darüber sagen?»
«Ja, warum wohl? Ich brauche doch nur einen oder zwei Tage zu warten, dann bekomme ich die Antwort von Scotland Yard»
«Was hat Scotland Yard damit zu tun?»
«Aber Mrs. Farren, Sie müssen doch wissen, daß Ihr Mann ein wichtiger Zeuge im Falle Campbell ist oder sein könnte.»
«Wieso?»
«Sehen Sie, er ist von hier weggegangen, um Campbell zu suchen. Zuletzt hat man ihn in Gatehouse nach Campbell fragen hören. Es wäre doch interessant, zu erfahren, ob er Campbell getroffen hat – oder nicht?»
«Lord Peter Wimsey!» Mrs. Farren hielt das Spinnrad an und wandte sich entrüstet zu ihm um. «Haben Sie sich schon einmal klar gemacht, wie verachtenswert Sie sind? Wir haben Sie hier in Kirkcudbright als Freund aufgenommen. Jeder ist immer nur nett zu Ihnen gewesen. Und Sie lohnen es uns, indem Sie als Polizeispitzel in die Häuser Ihrer Freunde gehen. Wenn es etwas Gemeineres gibt als einen Mann, der eine Frau in die Falle zu locken und zu bedrohen versucht, damit sie ihren Mann verrät, dann ist es die Frau, die in die Falle geht!»
«Mrs. Farren.» Wimsey erhob sich, weiß im Gesicht. «Wenn es darum geht, Ihren Mann zu verraten, dann bitte ich um Vergebung. Ich werde der Polizei weder von dem Brief noch von dem, was Sie eben gesagt haben, etwas sagen. Aber in diesem Falle kann ich nur noch einmal sagen – und diesmal als Warnung –, daß man von London aus eine Großfahndung ausgelöst hat und daß von heute an Ihre Korrespondenz in der Tat überwacht werden wird. Indem ich Ihnen das sage, verrate ich womöglich ein Amtsgeheimnis und mache mich de facto zum Mitschuldigen in einem Mordfall. Jedoch –»
«Wie können Sie es wagen?»
«Um ehrlich zu sein», sagte Wimsey, die Frage wörtlich nehmend, «ich glaube nicht, daß ich mich zu weit vorwage. Andernfalls wäre ich vielleicht vorsichtiger.»
«Wagen Sie es etwa zu behaupten, daß ich meinen Mann für einen Mörder halte?»
«Wenn ich darauf schon antworten muß – doch, ich glaube, Sie haben an die Möglichkeit gedacht. Ich bin nicht sicher, ob Sie es jetzt nicht mehr glauben. Aber ich hatte es für möglich gehalten, daß Sie ihn für unschuldig hielten, und je eher er in diesem Fall zurückkommt und sagt, wo er war, um so besser für ihn und alle anderen.»
Er nahm seinen Hut und wandte sich zum Gehen. Er hatte die Hand schon an der Klinke, als sie ihn zurückrief.
«Lord Peter!»
«Denken Sie nach, bevor Sie reden», sagte er schnell.
«Sie – sind völlig im Unrecht. Ich bin überzeugt, daß mein Mann unschuldig ist. Es gibt einen anderen Grund –»
Er sah sie an.
«Ach so!» sagte er. «Wie dumm von mir. Ihren Stolz wollen Sie jetzt schützen.» Er kam gemächlichen Schrittes ins Zimmer zurück und legte seinen Hut auf den Tisch. «Meine liebe Mrs. Farren, werden Sie mir glauben, wenn ich Ihnen sage, daß alle Männer – die besten wie die schlechtesten – solche Augenblicke des Aufbegehrens und Satthabens kennen? Das bedeutet gar nichts. So etwas erfordert Verständnis und – wenn ich so sagen darf – Einfühlungsvermögen.»
«Ich bin», sagte Gilda Farren, «zu verzeihen bereit –»
«Tun Sie das ja nicht», sagte Wimsey. «Verzeihen ist die einzige unverzeihliche Sünde. Dann schon eher eine Szene machen – obwohl», fügte er nachdenklich an, «das vom Temperament des Burschen abhängt.»
«Ich werde mit Sicherheit keine Szene machen», sagte Mrs. Farren.
«Nein», sagte Wimsey. «Das sehe ich.»
«Ich werde gar nichts tun», sagte Mrs. Farren. «Beleidigt zu werden hat genügt. Desgleichen verlassen zu werden –» Ihr Blick war hart und zornig. «Wenn er zurückkommen möchte, werde ich ihn natürlich aufnehmen. Aber was er mit sich anfangen will, geht mich nichts an. Was Frauen zu erdulden haben, läßt sich nicht ermessen. Ich würde zu Ihnen nicht davon spreche, wenn –»
«Wenn ich es nicht schon wüßte», warf Wimsey dazwischen.
«Ich habe so zu tun versucht, als ob nichts wäre», sagte Mrs. Farren.
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