Wimsey 09 - Mord braucht Reklame
fassen», stammelte Miss Rossiter perplex. «Ich hätte schwören können –»
«Aber aus der Nähe sieht er ihm gar nicht ähnlich», meinte Miss Parton, im nachhinein klüger. «Ich habe dir ja gleich gesagt, daß er's nicht ist.»
«Dann hast du gesagt, er ist es doch.» Miss Rossiter warf einen Blick über die Schulter, gerade rechtzeitig, um einen merkwürdigen kleinen Zwischenfall zu beobachten.
Aus Richtung Leicester Square kam eine Limousine angerollt und fuhr gegenüber der Criterion Bar dicht an den Randstein. Der Mann im Abendanzug ging darauf zu und richtete ein paar Worte an den Insassen, wobei er die Zigarette fortwarf und eine Hand auf den Türgriff legte, als wollte er einsteigen. Doch noch ehe er dazu kam, traten plötzlich zwei Männer stumm aus einem Geschäftseingang. Der eine von ihnen sprach mit dem Chauffeur, der andere legte dem eleganten Herrn die Hand auf den Arm. Es wurden ein paar kurze Sätze gewechselt; dann stieg der eine Mann neben dem Chauffeur ein, während der zweite die Tür zum Fond öffnete. Der Mann im Abendanzug stieg ein, der andere folgte, und die ganze Gesellschaft fuhr davon. Das Ganze war so schnell gegangen, daß alles schon so gut wie vorüber war, ehe Miss Parton sich auf Miss Rossiters erstaunten Ausruf hin umdrehen konnte.
«Verhaftet!» hauchte Miss Rossiter mit glänzenden Augen.
«Das waren zwei Detektive. Was mag unser Monokelfreund wohl verbrochen haben?»
Miss Parton war ganz aufgeregt.
«Und wir haben ihn sogar noch angesprochen und gedacht, es ist Bredon.»
« Ich habe ihn angesprochen», verbesserte Miss Rossiter. Jetzt plötzlich konnte Miss Parton sich damit brüsten, und dabei hatte sie sich vor ein paar Minuten erst ausdrücklich von dem peinlichen Zwischenfall distanziert; beides konnte man ihr ja nun nicht zubilligen.
«Also gut, du», räumte Miss Parton ein. «Ich muß mich ja doch über dich wundern, Rossie – einfach mit so einem Edelganoven abziehen zu wollen! Jedenfalls, wenn Bredon morgen nicht aufkreuzt, wissen wir, daß er es doch war.»
Aber es konnte kaum Mr. Bredon gewesen sein, denn der erschien am nächsten Morgen wie immer zur Arbeit. Miss Rossiter fragte ihn, ob er einen Doppelgänger habe.
«Nicht daß ich wüßte», sagte Mr. Bredon. «Einer meiner Vettern sieht mir allerdings etwas ähnlich.»
Miss Rossiter erzählte ihm von dem Zwischenfall, wenn auch in leicht abgewandelter Form. Bei näherer Betrachtung fand sie es doch besser, nichts davon zu sagen, daß man sie für ein leichtes Mädchen gehalten hatte.
«Oh, das war bestimmt nicht mein Vetter», antwortete Mr. Bredon. «Er ist ein furchtbar anständiger Mensch. Geht im Buckingham-Palast aus und ein und so weiter.»
«Mir können Sie viel erzählen», sagte Miss Rossiter.
«Ich bin das schwarze Schaf der Familie», sagte Mr. Bredon.
«Auf der Straße würde der mich nicht einmal sehen. Das muß also jemand ganz anderes gewesen sein.»
«Heißt Ihr Vetter auch Bredon?»
«O ja», sagte Mr. Bredon.
3
Neugierige Fragen eines neuen Texters
Mr. Bredon arbeitete seit einer Woche bei Pyms Werbedienst und hatte bereits das eine und andere gelernt. Er hatte gelernt, wie viele Wörter durchschnittlich auf zehn Zentimeter Textraum passen; daß man Mr. Armstrong mit einem sorgfältig ausgearbeiteten Satzspiegel beeindrucken konnte, Mr. Hankin es dagegen als Zeitverschwendung für einen Texter ansah, sich auch noch darum zu kümmern; daß es gefährlich war, das Wörtchen «rein» zu benutzen, weil es bei leichtfertigem Gebrauch den Auftraggeber einer möglichen Strafverfolgung aussetzte, wohingegen Wörter wie «höchste Qualität», «beste Zutaten» und «unter optimalen Bedingungen verpackt» keinerlei juristische Bedeutung hatten und daher ungefährlich waren; daß es ein Unterschied war, ob man von einem Produkt behauptete, es gebe «Tausenden britischer Arbeiter in unserer Musterfabrik da-und-da Brot und Arbeit» oder ob man es als «durch und durch britische Arbeit» bezeichnete; daß man im Norden Englands die Butter und Margarine gesalzen vorzog, im Süden hingegen frisch; daß der Morning Star keine Inserate annahm, in denen das Wort «heilen» vorkam, aber keine Einwände gegen Ausdrücke wie «lindern» oder «bessern» erhob, und daß ferner ein Produkt, das etwas zu «heilen» vorgab, möglicherweise als Medikament patentiert und mit einem teuren Siegel versehen werden mußte; daß der überzeugendste Werbetext stets mit einem Augenzwinkern geschrieben
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