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Wind der Gezeiten - Roman

Wind der Gezeiten - Roman

Titel: Wind der Gezeiten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Befehlshaber und dessen Folterknecht dieselbe Behandlung angedeihen zu lassen, die ihm zuteilgeworden war. Daran musste Elizabeth häufig denken, wenn sie Sid gegenübertrat. Er wirkte immer so harmlos und zuvorkommend, doch der Grat zwischen leutseliger Freundlichkeit und erbarmungsloser Gewalt war bei Männern, die zur See fuhren, meist sehr schmal– Duncan nicht ausgenommen. Er war der liebevollste Vater und zärtlichste Liebhaber, aber im Angesicht der Gefahr konnte er töten, ohne mit der Wimper zu zucken. Während des Aufstands im vergangenen Jahr hatte er vor Elizabeths Augen binnen einer Minute drei Männer umgebracht, um Elizabeths Leben zu retten. Dasselbe würde auch Sid tun, wann immer es nötigwar.
    » Master Haynes hat sich Sorgen gemacht « , sagte er. Seine Stimme klang vorwurfsvoll. » Wir wollten gerade aufbrechen und nach Euch suchen. Euer Gatte holt nur rasch noch frische Munition. «
    Im selben Moment, als er das sagte, kam Duncan auch schon aus dem Haus. Im unsteten Licht der Fackeln, die zu beiden Seiten des Eingangs brannten, wirkte seine imposante Gestalt wie die eines Kriegers, der zum Angriff bereit war. Über seiner Brust kreuzten sich zwei Leibgurte mit Patronen, und an seinem Wehrgehenk hingen unübersehbar Pistole, Dolch und Streitaxt. Sein Gesicht offenbarte seine Erleichterung, als er Elizabeth sah, aber diese Regung verschwand sofort und machte einem undurchdringlichen Ausdruck Platz.
    » Du warst tauchen « , sagte er, den Blick auf das feuchte Tuch um ihren Kopf geheftet.
    Sie konnte es schlecht abstreiten, da die Tatsachen für sich sprachen.
    » Es war das letzte Mal « , sagte sie, um einen versöhnlichen Ton bemüht. » Wer weiß, ob ich jemals in meinem Leben wieder Gelegenheit dazu haben werde. «
    » Komm mit, wir müssen reden « , erwiderte er nur knapp, bevor er sich umdrehte und im Haus verschwand. Elizabeth übergab Pearls Zügel Paddy, dem alten Pferdeknecht. Er führte Pearl und den Wallach hinüber zu den Stallungen. Deirdre ging auf ihre Kammer, während Elizabeth mit mulmigen Gefühlen den Durchgang zum Patio ansteuerte, wo Duncan schweigend auf sie wartete.
    Er blickte sie eindringlich an, als sie auf ihn zukam.
    Ihre Züge offenbarten ihr schlechtes Gewissen, doch er sah auch den Trotz in ihren Augen.
    » Ich habe gut aufgepasst und bin in unmittelbarer Nähe des Ufers geblieben. Und Deirdre hat mich keinen Moment aus den Augen gelassen. Ich bin nicht so lange unten geblieben, wie es mir möglich gewesen wäre. Ich fühle mich großartig. Und gesund. Dem Kind habe ich gewiss nicht damit geschadet. Bis zur Geburt dauert es noch an die sechs Wochen. «
    Sie gab sich solche Mühe, sich zu rechtfertigen, und für einen Moment wünschte er sich, es hätte für sie beide keinen anderen Grund sich zu sorgen gegeben als den, dass sie tauchen gewesen war. Er trat auf sie zu und hob die Hand. Sie blieb reglos stehen, während er ihr über die Wange strich. Ihre Haut war so unglaublich zart, dass er manchmal Angst hatte, sie zu berühren. Vorsichtig zog er ihr das Tuch vom Kopf. Ihre nassen Locken fielen herab und ringelten sich über ihre Schultern. Im Kerzenlicht hatten sie die Farbe von dunklem Gold. Duncan nahm eine davon und wickelte sie sich um den Finger.
    » Ich will dir keine Strafpredigt halten « , sagte er.
    » Oh. « Erstaunt und leicht verunsichert blickte sie ihn an. » Wirklich nicht? «
    » Wirklich nicht. « Er zupfte kurz an der Haarsträhne und ließ sie wieder los. » Ich weiß, dass du das Tauchen beherrschst und dabei nur das tust, von dem du sicher bist, dass du es kannst. Damit will ich nicht sagen, dass es mir gefällt, wenn du es machst. Lieber wäre mir, du würdest es lassen. Zumindest so lange, bis unser Kind geboren ist. Das zweifellos mit Kiemen auf die Welt kommen wird. « Er unterdrückte ein Lächeln, als er ihre Erleichterung bemerkte. » Du hättest Felicity Bescheid sagen sollen, was du vorhast. «
    Er merkte sofort, dass er sich diesen Vorwurf auch hätte sparen können, denn gerade das hatte sie wahrscheinlich absichtlich nicht getan, weil ihre Cousine sonst alles darangesetzt hätte, den Ausritt zu verhindern. Felicity war in ihrer Fürsorge nicht zu bremsen. Wäre es nach ihr gegangen, hätte Elizabeth mit Rücksicht auf die Schwangerschaft von früh bis spät im Lehnstuhl sitzen müssen und höchstens zum Kirchgang aufstehen dürfen. Sie hielt es bereits für lebensgefährlich, dass Elizabeth sich in ihrem Zustand noch auf ein

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