Wind der Gezeiten - Roman
Er küsste ihre Lippen und zeichnete mit seinem Mund ihre Wangen nach, bevor er sacht in ihr Ohrläppchen biss. » Mhm, du schmeckst nach Salz. «
» Das kommt vom Schwimmen. Was können wir tun, Duncan? «
» Wir haben die ganze Zeit kein Geheimnis daraus gemacht, dass wir übermorgen mit der Mittagsflut auslaufen wollen. Alle Welt weiß es. Also werden sie mir vorher eine Abordnung bewaffneter Soldaten schicken, um mich zu arretieren, damit ich ihnen nicht mit dem ganzen Gold durch die Lappen gehe. Wahrscheinlich kommen sie morgen Abend, denn sie wissen, dass ich um die Zeit immer hier bin, während meine Mannschaft auf dem Schiff ist. Folglich müssen wir vorher verschwinden. Wir brechen noch heute Nacht auf. «
Er merkte, wie sie die Luft anhielt. Es war nicht weiter schwer, ihre Gedanken zu erraten.
» Es geht nicht anders, Lizzie. Zum Abschiednehmen bleibt keine Zeit mehr. Du kannst Anne und William Noringham einen Brief hinterlassen. Rose kann ihn mitnehmen, wenn sie morgen zu ihnen geht. «
Elizabeth nickte. Sie schien sich damit abzufinden, auch wenn es ihr nicht gefiel.
» Und was tun wir, wenn etwas schiefgeht? Gesetzt den Fall, sie kommen uns doch zuvor– was dann? «
» Für diesen Fall habe ich mir ebenfalls etwas ausgedacht. « In knappen Worten schilderte er ihr, was er sich überlegt hatte.
Es erforderte die Mithilfe von William Noringham, doch Duncan wusste, dass der alles für Elizabeth tun würde, wenn sie ihn darum bat. Nach Roberts Tod hatte Noringham um Elizabeths Hand anhalten wollen, und es hatte ihn ziemlich getroffen, dass die Frau seiner Träume sich für einen anderen Mann entschieden hatte, der zudem ein übel beleumundeter Freibeuter war. Doch Noringham war kein nachtragender Mensch, und darauf baute Duncan, trotz seiner gelegentlichen Anwandlungen von Eifersucht auf den gut aussehenden jungen Lord.
» Wir schaffen nachher alles, was noch nicht auf der Elise ist, an Bord « , fuhr Duncan fort. » Es sind sowieso nur noch zwei, drei Kisten. Und Pearl natürlich. Ich lasse die Elise am Ende der Hundswache von einer Schaluppe aus dem Hafen schleppen. Und ehe die Sonne aufgeht und einer von diesen geldgierigen Zuckersäcken richtig mitgekriegt hat, was los ist, sind wir schon auf hoher See. «
Elizabeth atmete durch und löste sich aus seinen Armen.
» Hast du Felicity schon gesagt, dass wir früher als erwartet abreisen wollen? «
Duncan lächelte ein wenig bemüht.
» Das überlasse ich lieber dir. Sie war sowieso schon die ganze Zeit völlig aufgelöst wegen der Reisevorbereitungen. «
» Wenn das so ist, sollte ich wohl zusehen, dass ich ihr beim Packen helfe. «
Auf dem Weg zur Treppe kam ihr die alte Rose entgegen.
» Mylady, Ihr habt noch nicht zu Abend gegessen. Ich habe Euch etwas hergerichtet. Soll ich es hinauf auf Eure Kammer bringen? «
» Ja, tu das « , sagte Elizabeth. Sie blieb stehen und blickte die Magd an. » Hat Master Duncan heute schon mit dir über unseren Aufbruch geredet? «
» Nein, Mylady. Ich weiß nur, dass Ihr übermorgen fortgeht. «
» Nun, das hat sich geändert. Wir reisen schon heute Nacht. «
Rose nickte nur kurz, zum Zeichen, dass sie verstanden hatte. In diesem Haus hatte sie bereits so viel gehört und gesehen, dass eine vorgezogene Abreise sie nicht in Schrecken versetzen konnte.
» Sollen Paddy und ich dann morgen schon zu unserer neuen Herrschaft gehen? «
» Das steht euch frei. Aber erst am Nachmittag, dann sind wir weit genug fort. Rede bis dahin mit niemandem darüber, sonst könnte Schlimmes geschehen. Sorge auch dafür, dass Paddy den Mund hält. Je später man merkt, dass wir weg sind, desto besser. «
Auch diese Bemerkung quittierte Rose nur mit einem knappen Nicken, bevor sie sich in die Küche zurückzog, um das für Elizabeth vorbereitete Abendessen zu holen. Sie würde keine Fragen stellen und sich nicht beklagen, das hatte sie noch nie getan. Dennoch wusste Elizabeth, dass auf die alte Frau Verlass war. Rose und Paddy waren ihr treu ergeben. Die zwei waren die letzten Dienstboten, die nach Harolds Tod noch im Haus geblieben waren. Von den übrigen waren einige bereits in anderen Haushalten untergekommen. Ein paar hatten auch die Heimreise nach England angetreten, nachdem Elizabeth ihnen ein Handgeld ausgezahlt und ihre Schuldkontrakte gelöst hatte. Die meisten Knechte und Mägde waren jedoch, ebenso wie sämtliche Sklaven der Dunmores, in William Noringhams Dienste getreten. Auf Summer Hill gab es alle Hände
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