Wind Der Zeiten
uns
beiden hin und her. »Ich schätze, ihr zwei habt allerhand zu besprechen.« Mit schmalen Augen blickte er zum Horizont, an dem sich dunkle Wolken zusammenzogen. »Besser, ihr bleibt heute Nacht bei mir. Ich werde etwas zu essen für uns besorgen.« Unausgesprochen klang darin mit, dass er uns genügend Raum geben wollte.
Eigentlich , dachte ich, ist er ganz in Ordnung.
Ob sich dies in meiner Körperhaltung widergespiegelt hat, weiß ich nicht. Jedenfalls ließ er mich los wie einen zu heißen Bannock und ging in Richtung Fluss davon. »Tut mir einen Gefallen und bleibt am Leben bis ich wiederkomme!«, rief er noch über die Schulter, dann war er hinter einem Hügel verschwunden.
»Komm her.« Alans Stimme klang, als wollte er ein aufgeregtes Fohlen beruhigen.
Und mein verräterischer Körper reagierte instinktiv. Er ist dir gefolgt. Du bedeutest ihm immer noch genug, dass er alles stehen und liegen lässt, um dich zu finden. Die unvernünftige Stimme der Hoffnung in meiner Seele wollte einfach nicht verstummen.
Aber was ist mit Mary?, fragte mein Verstand bitter zurück. Es war Gift gewesen, das mich beinahe das Leben gekostet hatte. Mir fiel nur eine ein, die Interesse daran haben konnte, mich auf diese hinterhältige Weise aus dem Weg zu räumen: Mary. Aber warum zu diesen drastischen Mitteln greifen, wenn es ihr längst gelungen war, Alan in ihr Bett zu locken? Das war doch der beste Beweis dafür, dass ihn die Aussicht auf eine arrangierte Ehe nicht mehr zu schrecken schien, ganz im Gegenteil. Wahrscheinlich hatte sie sicher sein wollen, dass ich ihr nie mehr in die Quere kommen würde. »Seit wann geht das schon mit euch beiden?« Er mochte denken, ich hatte
kein Recht, ihm Fragen zu stellen, aber bevor ich zum Feenkreis weiterritt, musste ich wissen, seit wann er dieses doppelte Spiel mit mir trieb.
»Was meinst du?«
»Du enttäuschst mich. Willst du etwa leugnen, dass Mary dich auf deinem Zimmer besucht hat?«
»Joanna, ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst.«
Noch vor ein paar Tagen wäre ich auf seine unschuldige Miene hereingefallen, doch jetzt konnte er mich nicht mehr täuschen. »Gib dir keine Mühe. Ich habe euch gesehen.«
Alan streckt seine Hand nach mir aus und machte einen Schritt nach vorne.
»Bleib da stehen!«
Doch er ließ sich nicht beirren und war mit drei langen Schritten bei mir. Sein Griff an meinem Arm war nicht sehr zärtlich. »Was hast du gesehen?«
»Dich. Mary. Ihr habt euch umarmt …« Der Rest des Satzes ging in einem Schluchzen unter. Die ganze Ausweglosigkeit meiner Situation überwältigte mich mit einem Mal derartig, dass ich einfach in mir zusammensackte. Vor Alan kauerte ich hemmungslos weinend auf dem regennassen Gras.
Er musste sich zu mir gesetzt haben, denn als ich wieder denken konnte, lag ich in seinen Armen, das Leinenhemd über seiner Brust war von meinen Tränen ganz feucht, aber das schien ihn nicht zu stören. Sanft strich er mir über das Haar, wie man es bei einem verletzten Tier tun würde, um es zu beruhigen. Die Wärme seines Körpers, das Rumpeln in der breiten Brust, während er gälische Liebkosungen raunte, das alles hätte eine beruhigende Wirkung haben müssen, doch stattdessen schnürte mir die Erkenntnis, dass die Liebe dieses
Mannes alles war, wonach ich mich mein ganzes Leben lang gesehnt hatte, die Kehle zu, und ich begann erneut zu weinen.
Alan fasste mich am Kinn, beugte sich herab und küsste die Tränen, eine nach der anderen, behutsam fort. »Kleines, ich schwöre dir bei der Ehre meiner Mutter, dass sich zwischen mir und Mary nichts geändert hat. Ich liebe sie nicht, und inzwischen ist mir klargeworden, dass ich sie niemals heiraten kann. Es ist mir egal, was Argyle dazu sagt, ich werde sie wieder nach Hause schicken.«
Etwas Schöneres hätte er mir gar nicht sagen können. Doch es war zu spät dafür. Schon wieder kullerten Tränen über meine Wangen und vermischten sich mit den dicken Regentropfen, die rasch mehr wurden. Alan hob mich kurzerhand vom Boden auf und ging, ohne mich loszulassen, zu Ewans Haus. Dort angekommen, setzte er mich vorsichtig auf den Küchentisch und warf dann ein paar Torfstücke ins Feuer.
Erst jetzt merkte ich, wie sehr ich zitterte. Die Temperaturen waren heute keineswegs sommerlich.
Alan kam zu mir zurück und begann wortlos, mich auszuziehen. »Weißt du eigentlich, dass ich vor Angst um dich beinahe den Verstand verloren hätte?« Er löste die Verschnürung des Mieders. »Und dann,
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