Wind Der Zeiten

verhungert.
    Meine Frau erzählte mir bald nach unserer Ankunft, wie Lady MacCoinnaich sie überredet hatte, mich als Vater zu benennen, da ich ein Auge auf sie geworfen hätte und keine schlechte Partie sei. Sie war in einer verzweifelten Lage, denn ihr Vater drohte damit, sie hinauszuwerfen. Also tat sie das aus ihrer Sicht einzig Vernünftige und log, um mich zur Heirat zu zwingen. Ich kann Jannet das nicht einmal übelnehmen, denn obwohl sie den tatsächlichen Vater nie verraten hat, bin ich ziemlich sicher, dass es irgendjemand aus ihrer engsten Familie war.«
    Ich war entsetzt. »Die Arme! Und wo ist sie jetzt?«
    »Jannet hatte eine Frühgeburt. Das Kind kam tot auf die Welt, und niemand konnte ihre Blutungen stoppen. Da kam
mir Gleann Sheile gerade recht. Ich habe das arme Mädchen begraben und bin fortgegangen.«
    Alan beantwortete meinen fragenden Blick: »Jakobiten. Sie haben versucht, mit Hilfe der Spanier einen Aufstand anzuzetteln. «
    Ewan nickte. »Danach habe ich mir die Welt angesehen. Kriege gibt es überall, und ich gebe zu, ich bin auch für die Engländer in die Schlacht gezogen, wenn der Sold stimmte.«
    Trotzig schaute er auf. Doch lange konnte er Alans Blick nicht standhalten und begann wieder mit dem Finger die Holzmaserung des Tischs nachzuzeichnen, wie er es schon zu Beginn seiner Erzählung getan hatte. »Irgendwann konnte ich dieses sinnlose Blutvergießen nicht mehr sehen, das Leid und den Schmerz der Zivilisten. Colin MacDonnell, einem Mann hier aus der Gegend, den ich unterwegs kennengelernt hatte, ging es nicht anders, und so machten wir uns gemeinsam auf den Heimweg. Von seinem ehemaligen Zuhause hat er nicht viel mehr als die Grundmauern vorgefunden, die Familie war von Soldaten erschlagen worden. Weil ich nichts Besseres zu tun hatte, bin ich erst einmal geblieben, um ihm beim Wiederaufbau zu helfen. Sein Erspartes reichte für ein paar Rinder, und auch ich habe ein paar Guineas beiseitegelegt. Es ging uns nicht schlecht. Aber kurz nach dem Fest der heiligen Brigid bekam er ein böses Fieber und starb.« Ewan schob eine auseinandergebrochene Torfsode mit dem Feuerhaken zusammen. »Ich bringe den Leuten kein Glück.« Die auflodernden Flammen zeichneten tiefe Linien in sein Gesicht. »Dieser Teil der Welt ist das einzige Stück Land, das so etwas wie Heimat für mich bedeutet. Und weil Cladaich nichts dagegen hatte, bin ich vorerst hiergeblieben. Ich schätze, das macht mich zu einem Mackenzie.«

    Als sei nun alles gesagt, goss sich Ewan wortlos Wein ein und leerte den Becher in einem Zug.
    Alan tat es ihm gleich. Dann begann er so leise zu sprechen, dass ich mich vorbeugen musste, um ihn zu verstehen: »Als ich von meiner ersten längeren Reise zurückkehrte, warst du einfach fort. Erinnerst du dich? Wir hatten Vater so weit, dass er dich mitnehmen wollte, aber dann bekamst du diese Krämpfe, und unser Schiff konnte in Cladaich nicht ewig vor Anker liegen.«
    Ewan nickte. »Ja, ich erinnere mich. Ich muss etwas Verdorbenes gegessen haben. Es war die Hölle.«
    Ein eigenartiger Unterton in seiner Antwort ließ mich glauben, dass ihn diese Krämpfe auch nicht zufällig gequält hatten.
    Alan bemerkte unseren kurzen Blickkontakt nicht. »Niemand wollte mir nach meiner Rückkehr sagen, wohin du gegangen warst. Erst viel später erfuhr ich, dass du geheiratet hattest. Was für ein Mann ist das, der ein Weib gegen seinen besten Freund austauscht und ohne ein Wort, eine Zeile des Abschieds verschwindet?« Er goss sich noch einmal nach. »Ich hatte gelernt, ohne die Liebe meines Vaters, mit der Verachtung meiner Brüder und der heimlichen Furcht vieler Clansleute vor Alan Dubh, dem Wechselbalg aus der Feenwelt, zu leben. Doch nach dem Verrat des einzigen Menschen, für den ich nach Jahren der Einsamkeit aufrichtige Freundschaft empfand, war ich am Ende meiner Geduld.« Er griff nach meiner Hand, strich mit dem Daumen über die aufgeschürften Fingerknöchel und schaute mich lange an.
    Diese Geschichte aus seiner Vergangenheit erzählte er nicht nur Ewan, sondern auch mir. Dankbar erwiderte ich den Druck seiner Finger.

    »Und auf einmal fällt diese zerzauste Wildkatze direkt vom Himmel vor meine Füße und bringt mein Herz wieder zum Schlagen. Wäre das nicht geschehen, ich schwöre dir, du hättest heute nicht einmal genügend Zeit gehabt, deinen Gott um Vergebung zu bitten, bevor mein Schwert dich durchbohrt hätte.«
    In Ewans Augen entdeckte ich ein verräterisches Glitzern. Schnell