Wind Der Zeiten
unseres Königs nichts ahnen kann. Also, was wollt ihr?«
Der kleine Ninean hatte sich mir dicht an die Seite gedrängt und verschwand fast in meinen Röcken. Eine zarte Hand umklammerte meine, als ginge es um sein Leben.
Beruhigend strich ich ihm über den blonden Schopf. Das Kind zitterte am ganzen Leib.
Alan warf uns einen kurzen Blick zu und wandte sich, immer noch in Englisch, wieder an Pferdegesicht. »Die Familie des Jungen ist ermordet worden. Seine Mutter gehörte zu deinem Clan, was gedenkst du zu unternehmen, MacDonnell? «, fragte er scharf.
Ehe der aber antworten konnte, mischte sich Hawker ein: »Hat er etwas gesehen?«
»Nein!« Alans Antwort kam ein wenig zu schnell, und misstrauisch beäugte der Sergeant das Kind. »Los, Junge! Sprich!« Er machte einen Schritt auf uns zu, aber eine kaum bemerkbare Bewegung von Alan reichte aus, dass er schützend vor uns stand.
Ich spürte Duncan dicht hinter mir. Ninean verbarg sein Gesicht in meinen Rockfalten.
Ich hatte genug. »Lass das Kind in Ruhe, du Barbar! Der Junge hat gerade seine Familie verloren, und wenn er die Mörder gesehen hätte, dann würde er es uns gewiss verraten.« Am liebsten hätte ich mein Messer gezückt und die Mörder für ihre Tat bestraft. Aber das war natürlich unsinnig, ich musste mich darauf verlassen, dass Alan das Richtige tat. Allmählich begann auch ich die Engländer zu verabscheuen. Was bildeten sie sich ein, dass sogar ein einfacher Corporal, oder was immer dieser Kerl sein mochte, sich benahm, als sei er allen Schotten überlegen? Sie beherrschten ja nicht einmal unsere Sprache.
Etwas von der Verachtung muss sich in meinem Gesicht gezeigt haben, denn der Soldat kam ganz dicht an Alan heran: »Halte dein Weib im Zaum! Und lass den Jungen hier, der Chief wird sich um alles kümmern«, zischte er in sein Ohr.
Die beiden waren fast gleich groß, und er wirkte von nahem betrachtet erschreckend kräftig und keineswegs so dumm, wie ich anfangs gedacht hatte.
Alan wich keinen Millimeter zurück. »Sein Vater war ein MacCoinnaich, er kommt mit uns. MacDonnell, ich verlasse mich darauf, dass du die Mörder findest und nach Gleann Grianach bringst, damit sie ihre gerechte Strafe erhalten.«
»Du bist kein Richter, Highlander!« Die Wut darüber, dass Alan ihn erneut übergangen hatte, ließ das Gesicht des Engländers dunkelrot anlaufen.
»O doch, das bin ich! Ihre Majestäten George I. und George II. haben mich als Baron von Kensary bestätigt, und damit unterstehen nicht nur die Mitglieder meines Clans, sondern jeder, der sich auf meinem Land befindet, meiner Gerichtsbarkeit. MacDonnell, ich höre von dir.« Mit diesen Worten drehte er sich um, und wir verließen die finstere Halle. Die Alte war auch wieder aufgetaucht und hielt den Whiskykrug an die magere Brust gedrückt, ganz offensichtlich froh, dass sie uns keinen Abschiedsdrink anbieten musste. Im Hinausgehen hörte ich, wie Pferdegesicht nach Ale verlangte.
Auf dem Heimweg redeten wir nicht viel. Alan beriet sich leise mit James, und gemeinsam mit Duncan bemühte ich mich, den kleinen Ninean ein wenig aufzumuntern. Die Männer holten unterwegs ihre Waffen aus dem Versteck, und mir wurde klar, wie vorausschauend es gewesen war, scheinbar unbewaffnet nach Fearna zu gehen. Hawker hätte sich die Gelegenheit bestimmt nicht entgehen lassen, uns allesamt zu verhaften, weil wir gegen königliches Dekret verstoßen hatten. Er wäre sogar dazu verpflichtet gewesen.
Abends machten wir auf einer Lichtung halt, und nacheinander stießen sechs weitere Krieger zu uns, die Alan und James Bericht erstatteten, bevor sie wieder wie Schatten in den Bergen verschwanden. Ich hatte mich also nicht geirrt, unsere kleine Gruppe wurde gut beschützt.
Duncan hatte unterwegs drei Hasen erlegt, die er jetzt über einem Feuer briet. James übernahm die erste Nachtwache, Ninean lag eingewickelt in Alans Plaid dicht neben mir und atmete gleichmäßig. Obwohl ich auf dem weichen Bett aus Kiefernnadeln recht bequem lag, konnte ich keine Ruhe finden.
»Versuch ein wenig zu schlafen, Kleines. Wenn die Götter es wollen, werden wir morgen am Nachmittag Castle Grianach erreichen.« Alan strich sanft das zerzauste Haar aus meinem Gesicht und zog mich an seine Brust. In diesen Armen fühlte ich mich sicher und beschützt. Ich lehnte mich zurück, lauschte seinem gleichmäßigen Herzschlag und merkte erst jetzt, wie angespannt mein ganzer Körper gewesen war. »Wo kommen diese englischen
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