Wind Der Zeiten
grüßten. Einige warfen unserer kleinen Gruppe allerdings auch besorgte Blicke hinterher und verschwanden unauffällig.
Spätestens jetzt, wurde mir klar, würde ihr Familienoberhaupt wissen, mit welchem Besuch er zu rechnen hatte.
Das Gelände wurde flacher, und Alan bestand darauf, dass
Ninean und ich ritten. Duncan blieb mit Deargán, die den kleinen Jungen brav trug, am Schluss unserer kleinen Gruppe.
Alan führte vorne Brandubh am Zügel und begann mit leiser Stimme zu erzählen, was geschehen war: »Nineans Vater kommt aus Gleann Grianach, seine Mutter ist eine MacDonnell. Die Eltern, Ninean und seine zwei kleinen Geschwister haben Rinder und Schafe des Clans auf einer Hochalm gehütet. Der Junge war unterwegs, um ein Muttertier zu suchen. Die Geburt stand kurz bevor, und er vermutete, dass sich das Tier deshalb abgesondert hatte. So war es auch, er fand die Kuh mit ihrem neugeborenen Kälbchen und trieb die beiden langsam zur Herde zurück. Irgendwann fiel ihm Brandgeruch auf, aber er dachte sich nichts dabei. Als er zu Hause ankam, war die einfache Unterkunft seiner Familie bereits dem Erdboden gleich. Du hast die Sommerhütten selbst gesehen, sie sind nur aus Zweigen geflochten und mit Moos und Farnen gedeckt. Das brennt wie Zunder.«
»Was für ein entsetzliches Unglück!«
»Wenn es eines wäre.« Alans Stimme klang belegt. »Die Familie wurde überfallen und brutal ermordet. Als Balgy und die anderen dort eintrafen, saß der Kleine wie gelähmt da und starrte sie nur an. Natürlich ahnte James sofort, was geschehen war, und schickte ihn mit Duncan fort. Er selbst blieb mit seinen Männern dort und suchte nach den Eltern. Beide fand er nicht weit entfernt. Der Vater war gefesselt und hat wahrscheinlich zusehen müssen, wie die Mörder sich an seiner Frau vergingen, bevor sie beide erschlugen.«
Ich presste die Hand auf den Mund, um ein Schluchzen zu unterdrücken, doch Alan erzählte ungerührt weiter. »Und dann fanden sie die beiden Kinder in den Ruinen der Hütte. Sie waren auf ihrem Lager verbrannt.«
»Der arme James, dass er das alles noch einmal mit ansehen musste.« Meine Hände krampften sich um den Sattel, am liebsten hätte ich laut geschrien.
Alan schien es ähnlich zu ergehen, er wirkte wie erstarrt, als habe er absichtlich alle Gefühle tief in seinem Inneren verbannt, um in diesem Augenblick nicht der Raserei zu verfallen.
Schließlich fand ich meine Stimme wieder, und nachdem ich mich ein paarmal geräuspert hatte, fragte ich leise: »Gibt es einen Hinweis darauf, wer das getan hat?«
»James hat oberhalb in den Bergen einen Mann beobachtet, dessen Beschreibung auf Ewan passt. Er sagt, der Mann sei ihnen ausgewichen und ziemlich schnell Richtung Osten verschwunden. «
»Also Richtung Fearna.«
»Möglich wäre das schon«, gab Alan zu.
»Du glaubst doch nicht, dass dein Freund etwas mit diesem scheußlichen Mord zu tun hat! Wie hätte er so schnell dorthin gelangen sollen, nachdem er die ganze Zeit hinter uns hergeschlichen ist, und warum?«
»Ich weiß nicht, was ich glauben soll. Früher hätte ich so etwas nie von ihm vermutet, aber der Krieg verändert die Menschen, und ich weiß nicht, ob ich einem Freund aus Jugendtagen noch trauen kann.«
»Du zweifelst an seiner Version der damaligen Ereignisse?«
»Es klang plausibel.«
»Wenn du ihm nicht traust, warum hast du ihm dann gestern von unseren Plänen erzählt?«
»Weil er sonst auf eigene Faust versucht hätte, es herauszufinden. «
»Na, das hat er ja trotzdem getan.«
»Für einen erfahrenen Mann wie Ewan wäre es so oder so
kein Problem, Nineans Tal in weit weniger als einem Tag zu erreichen. Wir sind nicht eben schnell unterwegs gewesen.« Alan griff lächelnd nach meiner Hand, als ich versuchte, mich zu entschuldigen. »Es hätte nichts geändert, ich wäre in jedem Fall durch Poll Mhonadh gegangen, und Ewan wusste das. Er kennt sich in der Gegend aus.«
»Aber du hättest dich viel früher mit deinen Männer verabredet, wenn ich nicht dabei gewesen wäre, und sie wären vermutlich kurz vor dem Überfall bei Nineans Familie durchgekommen. « Verzweifelt versuchte ich meine Gedanken zu sortieren. »Alan, und wenn das ein Komplott war, um euch diesen Mord in die Schuhe zu schieben? Du hast eine Nachricht nach Gleann Grianach geschickt, wo du Balgy treffen wolltest. Niemand konnte damit rechnen, dass du so langsam unterwegs wärst, und schon gar nicht, dass Ninean überleben würde. Ewan aber kannte unsere
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