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Wind Der Zeiten

Wind Der Zeiten

Titel: Wind Der Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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– Gleann Grianach wirkte fruchtbar und ungewöhnlich lieblich. Darüber, auf grünen Hängen, entdeckte ich überall dunkle Punkte, die sich bei näherem Hinsehen als wollige Rinder entpuppten. Irgendwo unten im Tal krähte ein Hahn, es duftete nach frisch geschnittenem Gras und dem typischen Torffeuer. Meine Sorgen schienen auf einmal wie weggewischt. Ich hatte eine Veränderung in meinem Leben herbeigesehnt, und hier war sie. Ich brauchte nur Ja zu sagen.
    Aufgeregt sprang ich auf den Wehrgang hinab und umrundete den Turm weiter, stieg noch einmal in eines der Zinnenfenster und lehnte mich auf der anderen Seite weit über den Rand. Unter mir lag der Wirtschaftshof, und da war gerade richtig was los.
    Eine Gruppe Männer war soeben angekommen, einige zu Pferd, die meisten aber zu Fuß. Jemand rief etwas, Frauen liefen hin und her, um die Ankömmlinge zu begrüßen, was von hier oben tatsächlich so wirkte, als habe man einen Hühnerhaufen aufgescheucht. Ein Junge schaute neugierig um die Hausecke. Er wurde sofort herbeigewinkt, um die Ponys zu versorgen, ein zweiter folgte.

    Aus mächtigen Kaminen stiegen appetitliche Duftwolken zu mir herauf. Das musste die Küche sein. Der Hof war von einer Mauer umgeben. Dicht an den alten Turm geschmiegt, sah ich ein riesiges Tor, das jetzt weit offen stand, und die anschließenden Gebäude sahen wie Stallungen aus. Im Rücken des barocken Haupthauses befanden sich das mutmaßliche Küchengebäude, ein großer Gemüse- oder Kräutergarten und verschiedene kleinere Bauwerke. Eines davon lag in der hellen Mittagssonne und war mit seinen glänzenden Fenstern vermutlich die Orangerie. In den winzigen weiß gekalkten Häusern, die fast vollständig von einem Wäldchen verdeckt waren, lebten bestimmt Gärtner und der Verwalter. Sie besaßen vermutlich eine komfortablere Unterkunft als die Bauern in den einfachen Hütten, an denen wir gestern vorbeigeritten waren.
    Inzwischen war meine Höhenangst verschwunden, neugierig lehnte ich mich noch weiter vor. Dabei entdeckte ich zwei unterschiedliche Hintereingänge. Ein paar Stufen führten direkt unter mir vom Hof in den Turm, der andere Eingang war auf der Rückseite des neuen Wohnhauses. Sehr wahrscheinlich lag dort ein Esszimmer, in das Bedienstete die Speisen aus dem Küchentrakt bei Wind und Wetter eilig herübertragen mussten. In was für eine Welt war ich nur geraten? Immerhin, bis jetzt nannte man mich Mylady, und Mòrag stand mir nun auch noch als eine Art Zofe zur Verfügung. Solch einen Luxus hatte ich selbst als wohlhabende Erbin einer Hamburger Reederei im einundzwanzigsten Jahrhundert nicht genossen. Vermutlich tat ich gut daran, dieses Privileg nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Hier oben auf dem alten Wehrturm von Gleann Grianach Castle beschloss ich, mein Schicksal anzunehmen und das Abenteuer,
in das ich so unverhofft geraten war, zu genießen, so lange das möglich sein würde.
    »Ja«, rief ich und versprach dem herrlichen Tag, das Geheimnis meiner Zeitreise früher oder später zu lüften.
    Ein frischer Windstoß nahm meine Antwort mit sich und trug sie über das Tal, weit ins Land hinein. Dabei hatte er leider auch das Licht in meiner Laterne gelöscht, wie ich wenig später sah. Ich würde den Rückweg also im Dunkeln antreten müssen.
    Nachdem ich die schwere Eichentür hinter mir sorgfältig verschlossen hatte, brauchten meine Augen eine Weile, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Vorsichtig tastete ich mich die unregelmäßigen Stufen hinab und versuchte, den feuchten Geruch zu ignorieren. Ein Geländer wäre hilfreich gewesen, stattdessen musste man sich damit begnügen, am groben Mauerwerk Halt zu suchen. Dieses Mal ließ ich den Gang zu Alans Zimmer links, genauer gesagt, rechts liegen. Im Haus war dröhnendes Gelächter zu hören, und ich beeilte mich, ungesehen am Durchgang zu einer Halle vorbeizuhuschen, die dem Klang nach mit mindestens zwei Dutzend Männern gefüllt war. Ich glaubte sogar, Alan in dem Stimmengewirr zu hören. Wahrscheinlich versammelten sich hier die Krieger, deren Ankunft ich vom Turm aus beobachtet hatte, und erstatteten ihrem Clanchief Bericht.
    Kein Wunder, dass ich nicht besonders viele Männer bei unserem Ritt durch das Tal gesehen hatte, sie schienen in dieser für mich so fremdartigen Gesellschaft andere Aufgaben zu haben. »Und es macht sicher auch viel mehr Spaß, mit seinen Kumpels durch die Berge zu streifen, als täglich auf den Felder zu ackern und Kinder und Vieh

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