Wind Der Zeiten
könnte uns viel Ärger bereiten. Wenn Mary von deiner Existenz erfährt und die Hochzeit absagt, dann könnte ihr Onkel völlig zu Recht Genugtuung fordern.«
»Diese Mary weiß schon längst von mir. Darf ich dich daran erinnern, dass du mich direkt unter ihren Augen in dein Haus geschleppt hast?«
Alan schaute etwas verlegen drein. »Vermutlich war das keine so brillante Idee«, gab er zu.
Ich erzählte ihm von dem Gespräch zwischen Mary und Anabelle. »Ich hatte den Eindruck, dass sie auch nicht besonders erpicht darauf ist, deine Frau zu werden. Ich glaube sogar …« Eine Idee schoss mir durch den Kopf. Doch darüber würde ich später nachdenken. »Ich glaube, es wäre falsch, mich zu verstecken.« Ohne seinem Blick auszuweichen, sagte ich: »Also gut, solange es keinen Gegenbeweis gibt, bin ich eben deine irische Cousine Joanna. Als solche solltest du mich weder verstecken, noch in deinem Schlafzimmer beherbergen.«
Anerkennung schwang in Alans Stimme mit, als er sagte: »Du hast Recht. Und keine Sorge, ich habe nicht vor, dich in der Wildnis auszusetzen. Meine Vorstellung von Gastfreundschaft ist nicht die gleiche wie die meines Bruders.«
»Da bin ich ja beruhigt.«
»Joanna, wir haben keine andere Wahl.«
»Ja gut, einverstanden. Ich gebe die Cousine, und du hilfst mir, herauszufinden, was wirklich am Feenkreis passiert ist.« Ich reichte Alan die Hand, um unser Abkommen zu besiegeln.
Erstaunt schaute er mich an und schlug dann ein. »Vielleicht bist du wirklich vom Himmel gefallen. Mein Pferd hast
du jedenfalls schon verhext«, lachte er, als Brandubh mich mit dem Maul anstieß, augenscheinlich, weil er einen Leckerbissen bei mir vermutete.
Ich sagte ihm nicht, dass Brandubh eigentlich mein Pferd war. Er hätte es nicht verstanden.
Alan begleitete mich zur Küche zurück. Irgendwo fiel ein Holzteller zu Boden, zweifellos hätte man in diesem Augenblick auch eine Stecknadel fallen hören können, so still war es geworden. Als ein Holzscheit im Herd knackte, zuckten die Frauen zusammen.
»Mòrag.«
Ängstlich kam das Mädchen näher. »Ja?« Sie machte einen Knicks und hielt ihren Blick fest auf Alan Fußspitzen geheftet.
Ihm entging ihre Furcht nicht, und er sprach in einem ruhigeren Ton weiter. »Richte das Zimmer meiner Mutter. Sobald es fertig ist, bringst du Joanna dorthin. Außerdem braucht sie ein paar Kleider. In dem hier kann sie nicht mit uns speisen. Ich erwarte, dass jeder in diesem Haushalt meine Cousine mit Respekt behandelt.« Mit strengem Blick schaute er in die Runde.
Niemand sagte etwas, nur die Köchin wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab. » Aye , Chief.«
Er beachtete sie kaum, als hätte er keine andere Antwort erwartet. Stattdessen machte er einen Schritt auf Mòrag zu, legte ihr zwei Finger unter das Kinn und sah ihr direkt in die Augen. »Danke, Mädchen.« Ohne eine Antwort abzuwarten, machte er auf dem Absatz kehrt und ging mit langen Schritten zurück zum Stall. Kurz darauf hörten wir Brandubhs Hufe über den Hof klappern.
Dieser Mann war mir ein völliges Rätsel. Einmal zärtlich und dann wieder verschlossen wie eine Auster, hatte er mir gerade ein weiteres Gesicht gezeigt: das eines eiskalten Kriegers und gestrengen Lehnsherrn. Und doch spürte ich ein jähes Verlangen, als ich daran dachte, wie sich seine Hand heute Morgen unter mein Hemd gestohlen hatte.
»Wofür hat sich der Gleanngrianach bei dir bedankt?« Misstrauisch kam Dolina näher, und es war ihr anzusehen, dass die Vorstellung, ihre Tochter habe mehr als unbedingt notwendig mit ihrem Chieftain zu tun gehabt, nicht behagte.
»Irgendjemand musste ihm doch sagen, was Lachlan vorhatte. Er wollte sie nach Cladaich ans Meer bringen, und Duncan hat gesagt, dass er dort Sasannachs gesehen hat. Du weißt genau, was diese Engländer mit Frauen tun.« Ein Zittern lief durch Mòrags Körper.
Furchtbare Bilder von Vergewaltigung, brennenden Hütten und Totschlag entstanden vor meinem geistigen Auge. Den anderen schien es ähnlich zu ergehen.
Mòrag ließ sich nicht beirren. »Joanna ist bei uns zu Gast, und egal woher sie kommt, sie steht unter dem Schutz der MacCoinnaichs.«
Das war augenscheinlich die mutigste Rede, die sie je gehalten hatte, so schloss ich jedenfalls aus den offenen Mündern der anderen Frauen.
Schließlich fasste sich Dolina. »Das ist mein Mädchen«, verkündete sie stolz und nahm die verdutzte Tochter in die Arme. »Lady Joanna gehört zur Familie, das kann jeder
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