Wind Der Zeiten
eine Psychotherapie, und noch immer lag ich Nacht für Nacht in meinem Bett und hoffte auf Erlösung. Es war besser geworden, gewiss. Aber abgesehen von ein paar kurzen Phasen, in denen ich aus schierer Erschöpfung nichts mehr denken konnte, fand ich selten Ruhe und quälte mich am Morgen so zerschlagen aus dem Bett, wie ich am Abend zuvor hineingefallen war.
Und dann erinnerte ich mich plötzlich, dass heute Morgen alles anders gewesen war. Meine Füße weigerten sich, einen Schritt weiterzugehen, als ich an die wohligen Minuten des gemeinsamen Aufwachens in Alans Bett dachte. »Oh.«
»Schön, nicht wahr?« Mòrag war ebenfalls stehen geblieben und setzte behutsam ihren Krug ab. Wir hatten den Saum des Waldes erreicht, und dankbar tat ich es ihr nach. Die Arme schmerzten bereits von dem ungewohnten Gewicht. »Das ist alles MacCoinnaich-Land.« Ihre Handbewegung schloss auch die umliegenden Berge mit ein.
Natürlich, sie dachte, mein Laut des Erstaunens habe der Landschaft gegolten, die vor uns lag. Der Anblick war in der Tat überwältigend. Abgesehen von dem breiteren Weg hinauf zum Herrenhaus, hatte ich schon vom Turm aus die schmalen
Pfade gesehen, die die Landschaft einem Netz gleich durchzogen und zwischen Feldern, durch Wäldchen und weiter oben über schroffe Felsen führten. Ich glaubte meiner Begleiterin sofort, als sie erklärte: »Nach Gleann Grianach wagt sich selten jemand, denn unsere Männer sind wachsam und erwischen jeden, der versucht, Rinder von den Hochalmen zu stehlen.«
Aha, das war also die Aufgabe der Krieger, die in der Halle des alten Turms versammelt waren, und wie ich in der Küche mitbekommen hatte, mit Ale und einem kräftigen Mahl für ihre Arbeit belohnt wurden, bevor sie wieder zu ihren Familien zurückkehrten, während andere Clansleute die Wache übernahmen. Vielleicht hatte ich ihnen mit meinem voreiligen Urteil Unrecht getan. »Gibt es denn Viehdiebe hier in der Gegend?«
»Aber nein, keine richtigen Diebe.« Während wir weitergingen, erklärte sie: »Die Männer aller Clans machen sich einen Spaß daraus, aus anderen Tälern die besten Tiere zu entführen. Wenn dann im Herbst der Autumn Tryst , der Viehmarkt, in Crieff ist, bekommen wir gutes Geld dafür. Lachlan ist einer der schlimmsten …« Mòrag hielt sich erschrocken den Mund zu. »Das hätte ich nicht erzählen dürfen. Ich habe es Duncan versprochen, und er sagt, dass der Gleanngrianach furchtbar wütend wird, wenn er davon erfährt. Er hat es nämlich verboten, Rinder zu stehlen, und die meisten halten sich sogar daran.« Sie klang verwundert. »Aber einige sagen, schon unsere Großväter hätten von ihren erfolgreichen Raubzügen berichtet, und es sei männlich und das gute Recht eines jeden Highlanders. Der alte Gleanngrianach hat früher immer gelacht und bezahlt, wenn die Chieftains unserer Nachbarn gekommen sind, um sich zu beschweren. Sein Sohn, sagen die Männer, ist bloß geizig und gönnt ihnen keinen Spaß.«
»Und was denkst du?«
»Ich glaube das nicht, er ist immer sehr großzügig und hilft, wenn jemand in Not gerät, aber wie sollen die Jungs sonst kämpfen lernen? Schließlich klaut niemand so viele Tiere, dass die Bestohlenen Not leiden müssen.«
»Und was macht Lachlan mit den gestohlenen Rindern?«
»Er verkauft sie. Das Geld gibt er aber nicht an seinen Bruder weiter, wie es sich gehört.«
»Und Duncan macht dabei mit?«
»Natürlich nicht.« Mòrag funkelte mich entrüstet an. »Na ja, früher schon«, gab sie dann leiser zu. »Er ist ein geschickter Schwertkämpfer und darf deshalb in diesem Herbst sogar zum ersten Mal mit den anderen die Herde nach Crieff begleiten. «
Die unterschiedlichsten Gefühle zeichneten sich in ihrem Gesicht ab. Stolz, aber auch Sorge und ein wenig Furcht. Ich hatte so eine Idee, wer dieser Duncan war, der sie ja auch schon vor den Sasannachs an der Küste gewarnt hatte.
»Duncan scheint bestens über alles informiert zu sein«, bemerkte ich beiläufig, während wir weiter in Richtung Dorf marschierten. »Wie kommt es, dass er dir diese Geheimnisse anvertraut?« Doch ich wollte sie nicht in die Enge treiben und fragte, ohne auf eine Antwort zu warten: »Du hast Angst, dass ihm unterwegs etwas passiert?«
Erschrocken schaute sie mich an: »Wie kommst du darauf?« Ich musste lachen. »Mòrag, ich mag zwar von weit herkommen, aber verliebte Frauen sehen überall und zu allen Zeiten gleich aus. Du magst diesen Duncan, nicht wahr? Glaubst du, dass er in
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