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Wind Der Zeiten

Wind Der Zeiten

Titel: Wind Der Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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zu beschäftigt gewesen, um den Kessel zu füllen. Ich lief die schmale Wendeltreppe in den Hof hinunter, um zwei Eimer zu suchen, und fand sie direkt neben dem Brunnen. Aber als ich einen davon hochhob, beschloss ich, lieber mehrere Male zu gehen. Die Dinger waren aus Holz und schon leer nicht gerade leicht.

    »Was tust du da?« Lachlan klang verwundert.
    Ich hatte ihn nicht kommen hören, das Zugseil entglitt meinen Händen, und der Schöpfeimer raste in die Tiefe des Brunnens, wo er platschend auf die Wasseroberfläche aufschlug.
    »Wonach sieht es denn aus?« Ärgerlich zog ich den Eimer erneut herauf und kippte ihn mit einem Schwung aus, wobei gut die Hälfte auf Lachlans Schuhen landete. Er trug immer Schuhe, allerdings heute auch einen Kilt. »Hoppla.« Ich musste lachen, und zu meiner Überraschung stimmte Alans Bruder mit ein.
    »Willst du baden?«, fragte er.
    Ich ahnte, was er im Sinn hatte. »Untersteh dich!«
    Woher kam plötzlich diese verspielte Laune? Als er näher kam und mich mit schräg gelegtem Kopf ansah, ging mir ein Licht auf. Der Mann war betrunken. Jetzt roch ich es auch, er hatte eine gehörige Fahne. Immerhin wurde Lachlan in diesem Zustand nicht aggressiv, sondern albern.
    Vorsichtshalber machte ich trotzdem einen Schritt zurück. »Ich möchte meine Haare waschen – in meinem Zimmer«, fügte ich nachdrücklich hinzu, als er einen der Eimer langsam hochhob.
    »Nach Ihnen, Madame.« Lachlan grinste.
    Während wir zum Haus zurückgingen, bewegte sich an einem der Fenster im neuen Trakt etwas, als verberge sich jemand hinter dem Vorhang, um nicht von mir gesehen zu werden. Ein heimlicher Beobachter? Ich schaute genauer hin. Nichts. Wahrscheinlich hatte ich mich getäuscht.
    Alans Bruder trug die schwere Last mit einer Leichtigkeit die Stufen hinauf, als transportiere er Federkissen. Er goss mir das Wasser sogar in den Kessel und hängte ihn zurück über
das Feuer, das ich zuvor angefacht hatte. Anschließend verabschiedete er sich mit einer eleganten Verbeugung und verschwand in Richtung Turm. Offenbar wollte er weiter am Männerabend teilnehmen, der in den alten Gemäuern stattfand. Ich war zwar neugierig, wie eine solche Zusammenkunft ablief, aber das würde ich ja morgen selbst erleben.
    Nachdem ich mein Haar gewaschen und eine Weile vor dem Kamin gebürstet hatte, um es so schneller zu trocknen, kam Mòrag mit dem Tragekorb, in dem sie mein Abendessen transportierte. Das war viel praktischer als die Tabletts, die die Mädchen schwer beladen dreimal täglich zu den Campbell-Frauen schleppten. Neben einem Krug Wein und frischem Wasser bekam ich heute würzigen Ziegenkäse, etwas Braten und zu meiner Überraschung ein Schälchen mit Erdbeeren, auf denen ein dicker Klecks Sahne thronte. Dazu Bannocks . Diese typisch schottischen Haferküchlein schmeckten mir viel besser als das helle Brot, das sie im großen Ofen für die Herrschaften buken.
    Für die Bannocks knetete die Köchin aus frisch gemahlenem Hafer, Wasser, etwas Salz und Fett einen Teig, den sie kurz ruhen ließ, portionierte und dann auf einem seltsamen Blech direkt über das offene Feuer hängte, bis er von beiden Seiten gleichmäßig gebräunt war. Besonders weich und lecker blieben die Haferbrötchen, wenn sie nach dem Backen in ein Leinentuch eingeschlagen wurden. So verpackt brachte Mòrag mir diese Köstlichkeit fast jeden Abend auf mein Zimmer, und gelegentlich aßen wir auch zusammen. Heute hatte sie allerdings keine Zeit, und weil auch sonst niemand an meine Tür klopfte, begann ich nach dem Essen mit meinem Tagebuchprojekt. Obwohl ich erst relativ kurze Zeit hier war, hatte ich inzwischen mehr Neues erlebt als in vielen Jahren zuvor.

    Zuerst richtete ich mir den kleinen Schreibtisch ein, der vor einem der Fenster stand und vermutlich einst Lady Keriann gehört hatte. Nebeneinander reihte ich das Tintenfass, die Feder und sogar ein Fläschchen mit feinem Sand auf, der dazu diente, überschüssige Tinte abzulöschen. Es hatte noch halbvoll in einem Fach des Sekretärs gestanden.
    Meine ersten Schreibversuche waren ein Desaster. Die Feder schrieb entweder gar nicht, oder ich fabrizierte riesige Kleckse. Meine Fingerkuppen sahen aus wie bei einem Erstklässler, und die Schrift ließ auch zu wünschen übrig. Doch ich ließ mich nicht entmutigen, und erstaunlich schnell hatte ich den richtigen Dreh heraus. Bald stand das leichte Schreibgerät im perfekten Winkel, was meine sonst recht runde Handschrift irgendwie

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