Wind Der Zeiten
verfolgt worden. Erst seit einiger Zeit ist wieder Ruhe eingekehrt, obwohl der Earl of Seaforth, der genaugenommen unser oberster Chieftain ist, immer noch unter ständiger Beobachtung steht.«
Ich erinnerte mich an den unangenehmen Zwischenfall mit Lachlan im Stall. Davon hatte er also damals gesprochen. »Ich hatte keine Ahnung, wie viel von dieser Heirat abhängt.« Plötzlich brannten Tränen in meinen Augen. »Aber warum ist sie diesem Herzog so wichtig? Lass mich raten, es ist eine Sache der Ehre.«
»Auch. Aber ehrlich gesagt weiß ich nicht, welche Vorteile sich Argyle erhofft, indem er auf diese uralte Vereinbarung besteht. Die MacCoinnaichs werden sich auf keinen Fall in seine Machenschaften hineinziehen lassen, solange ich ihr Chief bin.«
»Vielleicht solltest du ihm das mal sagen.«
Alan lachte bitter. »Was glaubst du, wie oft ich das getan habe. Er ist einfach ein sturer Bock. Und eines steht fest: Sollte ich ihn beleidigen, indem ich Mary zu ihm zurückschicke – und Gott weiß, wie oft ich schon versucht war, genau dies zu tun –, dann wird er dafür sorgen, dass mein Clan dafür leiden muss. Das kann ich nicht zulassen.«
»Dann ist Argyle ein Freund der Engländer?«
Alan gab einen Laut von sich, der irgendwo zwischen Lachen und Schnaufen lag. »Das würde ich nicht unbedingt sagen, aber gemeinsam mit seinem Bruder hat er den Anschluss Schottlands an England unterstützt.«
Das war kein Thema, auf das ich mitten in der Nacht eingehen wollte, und so fragte ich: »Und dieser neue Hannoveraner König, wie ist er so?«
»Er spricht Englisch.«
»Ist das schlecht oder gut?«
»Gut, denn sein Vater hat die Sprache bis zu seinem Tod nicht gelernt. Und außerdem soll George II. tapfer im Feld sein.« Die Anerkennung eines Kriegers schwang in Alans
Stimme mit. »Aber mehr kann man nach einem Jahr Regentschaft noch nicht sagen. Regiert wird sowieso von anderen, und über die Zukunft Schottlands entscheiden Männer wie Robert Walpole und auch Argyle.«
Arrangierte Ehen waren, soweit ich wusste, in der Vergangenheit gang und gäbe, und nach Alans Ausführungen sah ich nicht, wie er sich der Vereinbarung hätte entziehen können. Es sei denn, er träte als Chieftain zugunsten seines Bruders zurück und dieser würde Mary heiraten. Auf ein solches Happy End hätte ich allerdings nicht ein einziges Haferkorn gesetzt.
Alan offenbar auch nicht, denn er schaute in die Dunkelheit und schwieg.
Es gab etwas zwischen uns, das wusste ich sicher. Etwas, das mehr als nur reines Begehren war. Am liebsten hätte ich den brennenden Tränen freien Lauf gelassen, als ich plötzlich begriff, dass ich mich allmählich ernsthaft in diesen arroganten, launischen und sündhaft attraktiven Mann verliebte. Warum begegnete ich nie dem Richtigen? Jedes Mal wurden sie schlimmer – einer war mit meinem Schmuck abgehauen, der Nächste hatte mich geschlagen und betrogen, und mit diesem war ich nun in einer Vergangenheit gefangen, in der er bald eine andere heiraten würde, die er weder liebte noch begehrte. Damit würde er nicht nur uns beide, sondern auch Mary und seinen Bruder unglücklich machen. Die einzige Möglichkeit, diesem Schicksal zu entgehen, schien eine gemeinsame Flucht zurück in meine Zeit zu sein, die merkwürdigerweise bis vor kurzem auch die seine gewesen war. Doch was geschähe dann? Bliebe hier ein führungsloser Clan zurück, oder wäre der Weg frei für Lachlan und seine Karriere als Chieftain?
Nicht zum ersten Mal fragte ich mich, inwieweit meine
Reise in die Vergangenheit bereits den Lauf der Ereignisse verändert hatte und ob es tatsächlich so etwas wie ein Schicksal gab und ich hierhergeschickt worden war, um dieses zu beeinflussen, wie die Seherin es angedeutet hatte. Aber was, wenn meine Zeitreise nur ein Unfall gewesen war? Darauf wusste ich auch keine Antwort.
Um die nachdenkliche Stimmung, in die wir beide geraten waren, etwas aufzulockern, fragte ich schließlich: »Wann ist das Mittsommerfest?«
Als ich schon keine Antwort mehr erwartete, sagt er: »Beim übernächsten Vollmond.« Er sah in die Nacht hinaus. »In sechs Wochen.«
Schließlich schloss ich diesen am Tage so starken Krieger in meine Arme, und während ich ihn streichelte, schien es, als wäre seine Verzweiflung greifbar.
Als er längst schlief, schwor ich mir, ihn morgen nicht im Stich zu lassen. Egal, was das Schicksal mit uns vorhatte. Sollten sich die Campbell-Frauen ruhig darüber echauffieren, ich würde nicht von
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