Wind Der Zeiten
herunter. Das Uisge-beatha oder Wasser des Lebens, wie sie es hier nannten, brannte wie Feuer in meinem Hals. Die Augen wurden mir davon ganz feucht, und ich musste husten.
Alan nahm mir das Glas vorsichtig aus der Hand und wischte dann mit seinem Daumen behutsam eine dicke Träne von meiner Wange. »Joanna, ich weiß ja selbst nicht, was mit uns geschieht. Jede Minute des Tages denke ich nur an dich, und wenn ich nachts in meinem Bett liege, dann erscheint es mir kalt und öde. Du bist so weich und warm – so lebendig.« Er streckte die Hand nach mir aus.
Berührte er mich jetzt, würde ich nicht mehr denken können. Also wich ich ihm aus, er griff ins Leere. Diese verlorene Geste traf mich mitten ins Herz.
»Alan, vielleicht ist es dein Schicksal, Mary zu heiraten, aber ich gehöre nicht in diese Welt. Ich gehöre in eine andere Zeit, und auch wenn du dich nicht erinnern kannst, du hast ebenfalls dort gelebt. Du warst mit Iain befreundet, da bin ich ganz sicher, und als der Seanchaidh an jenem Abend im Pub von den MacCoinnaichs und ihrem Schicksal erzählte, hast du so heftig auf seine Geschichte reagiert, dass der arme Mann ganz verstört war.«
Ein Funken Erinnerung schien in seinen Augen aufzublitzen, und Alan öffnete schon den Mund, um etwas zu sagen, da sackte er wieder in sich zusammen. »Ich kann mich nicht erinnern. Und trotzdem wirken deine Worte irgendwie vertraut. Du hast Recht, wir müssen herausfinden, was geschehen ist.«
»Wann?«
»Noch vor dem Mittsommerfest, ich verspreche es. Glaube mir, wenn es möglich wäre, dann würde ich sofort mit dir aufbrechen, um das Geheimnis zu lösen, aber morgen ist Gerichtstag, und übermorgen werden wir die Tiere auf die Hochalmen bringen. Meine Leute erwarten von mir, dass ich dabei bin. Und von Lachlan ist auch nichts Gutes zu erhoffen«, fügte er bitter hinzu, und ich war mir nicht sicher, ob er damit nur das deutliche Desinteresse des Bruders meinte, ihn bei seiner Arbeit als Chieftain zu unterstützen.
»Einverstanden, ich werde noch ein paar Tage warten. Dann müssen wir das alles aber aufklären. Es geht nicht nur um uns, auch Mary hat ein Recht darauf zu wissen, woran sie ist.«
»Glaubst du, das weiß ich nicht? Sie ist ebenso wenig ehebegeistert wie ich.«
»Das würde ich nicht sagen. Sie möchte nur dich nicht heiraten. « Ein Schatten fiel über Alans Gesicht, und ich beeilte mich zu erklären: »Es ist nicht deine Schuld, obwohl du dir wirklich alle Mühe gibst, sie ständig vor den Kopf zu stoßen«, fügte ich hinzu.
»Du hast Recht, aber sie und besonders ihre Freundin gehen mir schrecklich auf die Nerven.« Immerhin klang eine Spur schlechten Gewissen mit. »Wen will sie denn nun heiraten? «
Hörte ich da die gleiche Hoffnung heraus, wie sie meine Entdeckung in mir entfacht hatte? »Ich bin ziemlich sicher, dass sie sich in Lachlan verliebt hat. Und er erwidert ihre Gefühle. «
»Das glaube ich nicht!«
»Mach die Augen auf. Mit wem, außer ihrer Gesellschafterin, unterhält sich die Kleine bei Tisch? Mit ihrem rüpelhaften
Verlobten – ja, ich meine dich«, lachte ich beim Anblick von Alan betretener Miene. »Oder ist es Lachlan, der sie zu Tisch führt, nett mit ihr plaudert, sie auf hübsche Picknicks begleitet und jeden Abend gemeinsam mit ihr singt?«
»Er macht was?«
»Er singt. Was ist daran so erstaunlich?«
Alan schob sich eine Strähne aus dem Gesicht, die sofort wieder hinabfiel. »Ich wusste gar nicht, dass er singen kann«, sagte er leise.
»Na ja, dein Bruder hat sogar eine ziemlich gute Stimme, wenn du mich fragst. Und ich bin überzeugt, dass seine Gefühle ernsthafter Natur sind. Doch lass mich raten – eine Ehe zwischen den beiden ist keine Option?«
»Nicht, solange ich der Chieftain bin. Die Vereinbarung mit dem Herzog von Argyle ist eindeutig: Die Ehe muss zwischen einer Campbell seiner Wahl und dem Chief der MacCoinnaichs geschlossen werden. Und glaube mir, ihn will niemand zum Feind haben. Vater stand in der Schuld Argyles, dessen Familie immer mächtig genug war, um zu verhindern, dass Gleann Grianach allzu deutlich auf einer der Landkarten des Königs erschien.«
»Weshalb ist das so wichtig?«
»Solange wir nichts tun, um seine Aufmerksamkeit zu erregen, können wir hoffen, weiter in Frieden zu leben. Das kann man leider von den meisten Mackenzies, zu denen wir offiziell gehören, nicht behaupten. Sie sind seit der Schlacht bei Sherrifmuir ständig von Soldaten aus dem Süden überfallen und
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