Wind Der Zeiten
seiner Seite weichen.
8
Gerichtstag
A m nächsten Morgen erwachte ich vom Trommeln der Regentropfen auf meinen Fensterscheiben und von einem leisen Schnarchen. »Du musst gehen, Mòrag wird bald hier sein.« Träge öffnete Alan das linke Auge ein wenig und räkelte sich. »Guten Morgen, Kleines.«
»Ich bin nicht …! Ach, vergiss es.«
Die dunklen Geister der vergangenen Nacht schienen vorerst vertrieben, schnell war mein halbherziger Widerstand gebrochen, und wir liebten uns. Mit ihm zu schlafen war so erfüllend, dass ich mir schwor, jede Minute, die ich mit Alan verbringen durfte, zu genießen und wie einen kostbaren Schatz für immer im Gedächtnis zu bewahren.
Ich muss wohl wieder eingeschlummert sein, denn auf einmal spürte ich seine Lippen auf meiner Stirn, und Alan stand komplett angekleidet vor dem Bett. Er küsste mich noch einmal und flüsterte: »Danke.« Dann war er auch schon in seinen angrenzenden Räumen verschwunden. Und wieder hatte ich den Moment verpasst herauszufinden, wie man diese verdammte Tür öffnete.
Später schrieb ich ein wenig, und nachdem die Regenwolken verschwunden waren, ging ich zu einem Spaziergang in den Garten. An einem solchen Tag war es sicher besser, wenn ich
mich nicht allzu weit unbegleitet vom Hause entfernte. Es wimmelte nur so von Fremden. Doch zwischen den Hecken und Beeten des barocken Gartens war ich ganz allein. Das faule Leben fing an, mich nervös zu machen, und so war ich froh, als Duncan plötzlich auftauchte.
»Joanna!« Der Art nach zu urteilen, wie er meinen Namen rief, ging es ihm ähnlich, wenn bestimmt auch aus anderen Gründen: »Da bist du ja. Der Gleanngrianach lässt ausrichten, in einer Stunde müssen alle in der Halle sein. Ich soll dich abholen.« Prüfend sah er mich an. »Sicher möchtest du dich noch ein wenig zurechtmachen.«
Das war ein sehr höflich formulierter Hinweis. Ich trug das Kleid, das Dolina mir am ersten Tag gegeben hatte, und meine Frisur war vermutlich wie üblich zerzaust. Jedenfalls hingen mir schon wieder zahllose Strähnen ins Gesicht. Dennoch ärgerte mich seine Bemerkung. »Was will dein Chief – angeben oder Recht sprechen?«
Duncan schaute mich einen Moment lang überrascht an, dann lachte er so sehr, dass er einen Schluckauf bekam.
Indigniert beobachtete ich, wie der Hüne schließlich kichernd Tränen aus dem Gesicht wischte. Ich konnte nichts Witziges an meiner Frage entdecken.
Endlich beruhigte er sich. »Die Campbells scheinen jedenfalls ihre besten Roben anlegen zu wollen. Sie scheuchen schon seit Stunden unsere Mädchen hin und her. Das wird ein großer Auftritt.«
»Also gut. In einer Stunde«, grollte ich wohl wissend, dass er absichtlich meinen Ehrgeiz angestachelt hatte, Alans Braut in den Schatten zu stellen, und machte auf dem Absatz kehrt.
Wie sollte ich mit der Eleganz dieser Frauen konkurrieren?
Die tröstenden Worte meiner Freundin Caitlynn fielen mir wieder ein: Wenn du einen Mann beeindrucken willst, dann überrasche ihn. Wann immer ich an mir zweifelte, war sie – wenn auch manchmal nur in Gedanken – zur Stelle, um mich aufzubauen.
»Ach, Caitlynn – mit dir wäre alles hier so viel einfacher«, flüsterte ich und kämpfte wieder einmal mit den Tränen.
In meinem Zimmer lief Mòrag bereits ungeduldig auf und ab. »Wo bleibst du denn?«, fragte sie und zerrte schon an meinem Kleid. Nach wenigen Sekunden stand ich nackt vor ihr, und sie gab mir ein wunderbar besticktes Hemd, das zwar fast bis zum Boden reichte, aber so durchsichtig war, dass es kaum etwas bedeckte. Nachdem ich die Unterröcke angezogen hatten, kam ich mir vor wie eine Tonne. Doch Mòrag lachte nur, als ich ihr das sagte, und ehe ich mich wehren konnte, steckte ich wieder in diesem verdammten Korsett.
Kräftig drückte sie mir ihr Knie in den Rücken, bis ich entsetzt um Atem rang. »Ausatmen«, mahnte sie und zog noch einmal beherzt an den Bändern. Wenn man mich eines Tages fragen würde, was das Schlimmste an meiner Reise in die Vergangenheit gewesen war, sollte nur niemand glauben, dass ich über unhygienische Lebensbedingungen oder Armut klagen würde. Dieses verdammte Folterinstrument übertraf alles. Schon jetzt sehnte ich mich nach dem viel weicheren und angenehmer zu tragenden Mieder, das ich an normalen Tagen trug.
Nachdem Mòrag meine Haare irgendwie glänzend gebürstet und ein Band hineingeflochten hatte, stülpte sie mir behutsam einen dunklen Rock über, der seidig raschelte. Danach zauberte sie
Weitere Kostenlose Bücher