Wind Der Zeiten
Alan und Lachlan, und zu meiner großen Erleichterung verklang die Melodie, nachdem sie Aufstellung bezogen hatten. Noch ein letztes Fauchen aus dem sterbenden Blasebalg, und es wurde ganz still. Ich hatte die Luft angehalten und atmete nun erleichtert auf.
Angus verkündete: »Alan MacCoinnaich, Baron Kensary, Chief des Clan MacCoinnaich, der Gleanngrianach selbst, hält heute Gericht und hat euch etwas zu verkünden.«
Sollte jetzt der Hochzeitstermin bekanntgegeben werden? Mir wurde ganz bang zumute. Ein Blick auf Lachlan zeigte, dass ich mit meiner Sorge nicht allein war. Seine Hände schlossen und öffneten sich wie im Krampf, und auch Mary war ganz blass.
Alan erhob sich und winkte James MacCoinnaich an seine Seite. »Balgy hier ist meinem Rat gefolgt und hat die Felder seiner Pächter neu aufgeteilt. Seit acht Jahren baut er die Feldfrüchte im Wechsel an und lässt den Boden im dritten Jahr ruhen. Balgy, willst du uns erzählen, wie dein Getreide in diesem Jahr steht?«
James räusperte sich. »Ich habe es auch nicht glauben wollen, aber das Land ist ertragreicher als noch vor wenigen Jahren. Was wir durch die Brache verlieren, ernten wir auf den anderen Feldern – und noch mehr. Die Pächter bearbeiten den Boden gemeinsam und teilen die Ernte gerecht auf.«
»Danke, James. In diesem Winter mussten wir weit weniger Getreide für Balgy hinzukaufen als für viele andere von euch. Und noch etwas: Seit wir die Kartoffeln auf den sandigen Böden im Westen pflanzen, haben wir recht gute Ergebnisse. Mein Bruder kann das bestätigen.«
Lachlan schien aus einem tranceartigen Zustand zu erwachen
und räusperte sich, bevor er antwortete: »Das ist richtig. Die Ernte im letzten Jahr war gut, und diese Erdäpfel sind vielversprechend.« Schwer ließ er sich wieder zurück in seinen Stuhl fallen und schaute Alan verwundert an.
Der erhob seine Stimme erneut, und das Murmeln verstummte sofort. »Denkt darüber nach. Ich werde in Zukunft nur noch diejenigen von euch unterstützen, die Balgys Beispiel folgen. Alle anderen müssen eben selber sehen, wie sie ihre Pächter durch eine Missernte bringen.«
Empörter Protest wurde laut. »Das kannst du nicht machen«, rief ein großer blonder Mann und kam drohend auf uns zu. Andere stellten sich hinter ihn. »Du bis der Chief, aber du kannst uns nicht vorschreiben, wie wir unsere Ländereien zu bewirtschaften haben.«
»Wir sind nicht deine Leibeigenen!«, grollte ein anderer und fügte leiser hinzu: »Ich habe gleich gewusst, dass Alan Dubh uns nur Unglück bringen würde. Was kann man auch anderes erwarten von einem …«
Mit einem Satz war Alan bei ihm und packte den Kerl – ein rothaariger Hüne mit struppigem Vollbart und einer mächtigen Zahnlücke – an seinem schmutzigen Leinenhemd, dass die Fasern krachten: »Nimm dich in Acht, Ruadh Brolan. Das Land, auf dem du lebst, gehört den MacCoinnaichs. Ich kann es jederzeit einem deiner Nachbarn geben.«
Hasserfüllt sah Ruadh, den ich jetzt als einen der Männer wiedererkannte, die uns in den Steinkreisen entdeckt hatten, zu mir herüber. »Das wagst du nicht!«, sagte er gerade laut genug, dass die Umstehenden und leider auch ich ihn hören konnten. »Oder soll ich deiner feinen Campbell-Braut erzählen, wie wir dich und deine Schlampe gefunden haben?« Er hatte den Satz noch nicht ganz beendet, da schlug Alan mit
dem Handrücken so kräftig zu, dass Ruadh sofort zu Boden ging. Wenn ich mich nicht täuschte, hatte er einen weiteren Zahn eingebüßt.
Mein Mitleid hielt sich in Grenzen. Aber nie hätte ich in dem gnadenlosen Clanchief, der jetzt drohend in die Runde blickte, den zärtlichen Liebhaber vermutet, der sich nachts wie ein verletztes Tier in meine Arme schmiegte. Dieser Mann hatte wahrlich eine dunkle Seite.
Die Clansleute, die sich eben noch widerspenstig gegeben hatten, schwiegen nun. Und während zwei Ghillies den taumelnden Ruadh packten und hinausschleppten, verkündete Angus ungerührt: »Das Gericht ist nun eröffnet. Wer etwas vorzutragen hat, kann dies tun.«
Die Spannung ließ ein wenig nach, als sich jemand ein Herz nahm und hervortrat: »Man hat mir ein Schaf gestohlen. Ich verlange Ersatz.«
Alan lehnte sich in seinem Sessel zurück, in den er sich inzwischen wieder gesetzt hatte, und betrachtete den Mann eingehend, der mit funkelnden Augen vor ihm stand. Er war ungewöhnlich klein für einen MacCoinnaich und stützte sich schwer auf einen Stock.
»Kennst du den Dieb?«, fragte Alan
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