Wind & Der zweite Versuch
noch, als Atahualpa zu Boden stürzte, der Zünder mit ihm.
»Was ein Arschloch«, sagte Fehrenbach, er hielt eine Waffe in der Hand und kaute Kaugummi. Er sah Willy an. »Was für ein widerlich perverses Arschloch. Aber eins macht mich stutzig. Er war so sicher. Jump, hört ihr mich? Seid ihr sicher, daß die Bombe entschärft ist?«
Die Feuerwerker schienen ihm das bestätigt zu haben, denn er nickte nur nervös mit dem Kopf. Hastig kaute er auf seinem Kaugummi herum. Willy wußte, daß er unter Schock stand, aber es machte ihm fast schon nichts mehr aus. Die Wand hinter dem Punkt, an dem Atahualpa zuletzt gestanden hatte, war von oben bis unten verschmiert, irgendwie erinnerte ihn das Muster an eines der Bilder, die er als Kind im Kunstunterricht mit einem Sieb und einer Zahnbürste hergestellt hatte, oder an ein Rorschach-Muster. Unter der kopflosen Leiche breitete sich ein Fleck aus, als gösse einer rotes Öl aus einer Kanne. Neben dem Körper lag der Zünder von der Form eines Pistolengriffs, an seinem Kopfende blinkte eine rote Diode.
»Warum …«, fragte Willy in den Raum hinein, aber Fehrenbach sagte: »Du hältst jetzt auch das Maul. Wir verduften hier. Da will uns einer verarschen.« Er brüllte los: »Raus, raus hier Leute! Der Laden fliegt gleich in die Luft! Vorwärts, bewegt euch, wir müssen abhauen!«
Für Willy war alles ein Film. Er konnte sich nicht bewegen. Steht man im Kino auf, wenn der Film noch läuft? Er wäre sitzen geblieben, aber Fehrenbach griff ihn am Kragen, zog ihn erst übers glatte Parkett aus der Versammlungshalle der Inka heraus und ließ ihn schließlich hinter sich die Treppe herunterpoltern wie eine Puppe. Dabei schrie er: »Raus hier, aber dalli, verpißt euch, er hat uns verarscht, los, los, los!«, und in einem heillosen Chaos sah Willy die SGler wie aufgescheuchte Hornissen aus dem Bau drängen. Draußen stellte Fehrenbach ihn auf die Beine und zog ihn hinter sich her, weg von dem Haus hinaus auf das Feld, weiter, immer weiter. Später hörte Willy, daß es sich um eine sogenannte lebende Bombe gehandelt hatte. Die Explosion war nicht einmal so sonderlich laut, aber sie warf alle, die noch herausgekommen waren, mit dem Gesicht in den Acker.
Sie wollte sich nicht einmal ein Hemd überwerfen, als sie wieder in ihre Garderobe zurückgekehrt war. Sie wollte nur dasitzen, die Ellbogen auf dem Schminktisch aufstützen, und rauchen. Ihre vollen Brüste hingen herab, und wieder einmal überschlug Kim, wann sie bei ihrem derzeitigen Lohn abbezahlt sein würden. Noch zwei Jahre die »Just for fun«-Show, und sie würden ihr gehören. Prüfend hob sie beide Brüste an. Sie richtete sich auf, sie reckte ihren Oberkörper und lächelte zufrieden. Das war Qualitätsarbeit. Nicht irgendein Synthetikscheiß, der einem nach drei Jahren wieder rausgeholt werden mußte, weil er sonst Krebs machte, nein: geklontes Eigengewebe und dazu noch altersverlangsamt, sie würde noch mit fünfzig eine volle und feste Brust haben, wenn andere schon zweimal geliftet worden waren. Die rauchlose Zigarette glomm in ihrer Hand. Sie sah sich selbst in ihre vage asiatisch aussehenden Augen, asiatisch war derzeit in. Einar, der Produzent der Show, tätschelte ihr manchmal den Hintern, weil sie die Einschaltquoten hob. »Ist dein Arsch auch gut versichert?« fragte er dann, und sie lachte. War er nämlich wirklich. Alles an ihr war gut versichert, die Prämien kosteten sie die Hälfte ihres Einkommens, aber auf dem Weg zu einer großen Karriere sollten Reparaturen nach einem möglichen Unfall nicht am Geld scheitern. Manchmal lutschte sie Einar ganz privat und steuerfrei einen ab, und am witzigsten fand sie dabei die Idee, daß sein Schwanz vielleicht auch nicht ganz Natur sein könnte. Einar war eher klein, aber sein Ding war das größte, das sie jemals gesehen hatte, und manchmal glaubte sie, daß der Teint nicht ganz paßte. Schwer zu entscheiden bei Schwänzen. Einar war jedenfalls großzügig, und auf die Art bekam sie die eine oder die andere Monatsrate für die Brüste nebenher zusammen. Danach würde sie die Augen abbezahlen, und ganz zum Schluß ihre Oberschenkel. Zehn Jahre, optimistisch gerechnet. Kim war optimistisch. Sie war einundzwanzig, und in zehn Jahren konnte sie immer noch gut im Geschäft sein. Wenn es wirklich gut lief, sogar besser als jetzt. Nicht mehr nur die primitiven Fickshows machen, sondern vielleicht ganze Spielfilme. Das war immer noch den ganz Großen vorbehalten, zum
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