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Wind (German Edition)

Wind (German Edition)

Titel: Wind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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der zwar verbeult, aber sauber war.
    Das Essen hatte nichts Zauberisches an sich; der Eintopf bestand aus Rindfleisch, Kartoffeln, Karotten und Zwiebeln, die in einer würzigen Brühe schwammen. Während Tim in der Hocke aß, beobachtete er, wie Bitsy sich vorsichtig dem Rappen seines Gastgebers näherte. Der Hengst berührte kurz die Schnauze des bescheidenen Maultiers, dann wandte er sich ab (ziemlich hochnäsig, fand Tim) und wieder dem kleinen Berg Hafer zu, den der Zöllner an einer Stelle aufgeschüttet hatte, die er sorgfältig von Holzspänen – eine Hinterlassenschaft der Sais Cosington und Marchly – gesäubert hatte.
    Während Tim aß, suchte der Steuereintreiber nicht etwa das Gespräch, sondern rammte nur mehrfach einen Stiefelabsatz in den Waldboden, sodass ein kleines Loch entstand. Neben ihm stand das Becken, das zuvor auf seiner Gunna festgeschnallt gewesen war. Tim konnte kaum glauben, dass seine Mutter recht haben sollte – ein Becken aus reinem Silber musste ungeheuer viel wert sein –, aber es sah tatsächlich wie Silber aus. Wie viele Silberlinge würde man einschmelzen müssen, um ein solches Becken herzustellen?
    Der Absatz des Zöllners traf auf eine Wurzel. Unter seinem Mantel holte er ein Messer hervor, das fast so lang wie Tims Unterarm war, und schnitt sie mühelos durch. Dann machte er mit dem Stiefelabsatz weiter: bums und bums und bums .
    »Wozu grabt Ihr da?«, fragte Tim.
    Der Zöllner sah auf, um den Jungen mit einem schwachen Lächeln zu bedenken. »Das erfährst du vielleicht noch. Vielleicht auch nicht. Ich denke, dass du’s tun wirst. Bist du mit dem Essen fertig?«
    »Aye, und ich sage Euch meinen Dank.« Tim tippte sich dreimal an die Kehle. »Es war sehr gut.«
    »Freut mich. Küssen hält nicht vor, kochen schon. Das sagen die Manni. Wie ich sehe, bewunderst du mein Becken. Schöne Arbeit, findest du nicht auch? Ein Über bleibsel aus dem Garlan von einst. In Garlan hat es wirklich Drachen gegeben, und ich wette, dass tief im Endlosen Wald noch Brände von ihnen leben. Siehst du, junger Tim, jetzt hast du etwas dazugelernt. Viele Löwen sind ein Rudel; viele Krähen sind ein Schwarm; viele Bumbler sind ein Throcket; viele Drachen sind ein Brand.«
    »Ein Brand von Drachen«, sagte Tim. Er ließ sich diesen Ausdruck auf der Zunge zergehen. Erst dann begriff er ganz, was der Zöllner gesagt hatte. »Wenn die Drachen tief im Endlosen Wald leben …«
    Der Zöllner unterbrach Tim jedoch, bevor dieser seinen Gedanken zu Ende bringen konnte. »Papperlapapp, behalt deine Überlegungen für dich. Nimm das Becken, und hol mir Wasser. Den Bach findest du am Rand der Lichtung. Ich schlage vor, dass du deine kleine Lampe benutzt, denn der Feuerschein reicht nicht so weit, und in einem der Bäume hängt ein Pooky. Er ist ziemlich angeschwollen, was bedeutet, dass er vor Kurzem gefressen hat, aber ich würde trotzdem nicht gerade unter ihm Wasser schöpfen wollen.« Er lächelte dabei wieder. Ein grausames Lächeln, fand Tim. »Obwohl ein Junge, der tapfer genug ist, nur von einem Maultier seines Vaters begleitet nachts in den Endlosen Wald zu kommen, natürlich tun kann, was er will.«
    Das Becken war bestimmt aus Silber; es war zu schwer, als dass es aus einem anderen Metall sein konnte. Tim klemmte es unbeholfen unter den Arm. Mit der freien Hand hielt er sein Gaslicht hoch. Als er sich dem fernen Rand der Lichtung näherte, roch er auf einmal etwas unangenehm Brackiges und hörte ein halblautes Schmatzen wie aus vielen Mündern. Er blieb stehen.
    »Dieses Wasser wollt Ihr nicht, Sai, es steht fast.«
    »Erzähl mir nicht, was ich will oder nicht, junger Tim, sondern füll einfach das Becken. Und nimm dich vor dem Pooky in Acht, wenn ich bitten darf.«
    Der Junge kniete hin, stellte das Becken vor sich ab und sah in den träge fließenden kleinen Bach. Das Wasser wimmelte von dicken, weißen Käfern. Ihr übergroßer Kopf war schwarz, die Augen saßen auf Stielen. Sie sahen wie im Wasser lebende Maden aus, die sich offenbar bekriegten. Nach kurzer Beobachtung erkannte Tim, dass sie einander auffraßen. Ihm drehte sich der Magen um.
    Über ihm erklang ein Geräusch, als würde jemand mit der flachen Hand langsam über einen langen Streifen Schleifpapier streichen. Er hob seine Lampe. Am untersten Ast des Eisenholzbaums zu seiner Linken hing in zahlreichen Windungen eine riesige, rötliche Schlange. Ihr spatenförmiger Schädel, größer als der Waschkessel seiner Mama, war Tim

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