Wind über den Schären: Liebesgeschichten aus Schweden (German Edition)
nehmen. So plötzlich, wie seine Starre gekommen war, löste sie sich, kehrte sich sogar ins Gegenteil. Auf einmal hatte der Mann es sehr eilig.
»Ich will nicht stören, ich komme später wieder«, sagte er hastig und wandte sich zum Gehen.
Ludvig Stekkelson schüttelte den Kopf. »Nein, warte. Ich habe gleich Zeit für dich. Ach ja, das ist übrigens Frau Borg«, stellte er Valerie vor. »Sie interessiert sich für die Stelle in meiner Kanzlei. Frau Borg, das ist mein alter Freund Olof Wilander. Er braut das beste Bier hier in der Gegend.«
Valerie lächelte Olof Wilander freundlich an und reichte ihm die Hand.
»Freut mich, Herr Wilander«, sagte sie.
Olof Wilander erwiderte den Händedruck kurz, ganz so, als sei ihm die Berührung unangenehm. Sein Blick ruhte unablässig auf ihr, und seine Stimme klang ein wenig heiser, als er erwiderte: »Mich auch. Frau …?«, hakte er zu Valeries Verwunderung noch einmal nach. Immerhin hatte Ludvig Stekkelson ihren Namen bereits genannt.
»Borg«, mischte sich Ludvig Stekkelson ein, bevor Valerie etwas sagen konnte. Er verlieh seiner Stimme Nachdruck. »Valerie Borg.« Der Anwalt lächelte. »Den Namen solltest du dir merken.«
Olof Wilander sagte nichts, er verabschiedete sich nicht einmal von ihr, sondern ging wortlos in Ludvig Stekkelsons Büro.
Valerie fand dieses Benehmen merkwürdig und fühlte sich unbehaglich. Sie musste sich Mühe geben, sich auf Ludvig Stekkelson zu konzentrieren.
Der Anwalt schien für einen kurzen Moment ebenfalls irritiert zu sein, ging aber mit keinem weiteren Wort darauf ein. »Schauen Sie sich hier in Boxenberg noch ein wenig um, bevor Sie zurück nach Stockholm fahren«, schlug er freundlich vor. »Unser Städtchen wird Ihnen gefallen.«
Lasse wartete auf dem Marktplatz mit einem Eis auf sie. Er wirkte ziemlich zufrieden.
»Und?«, fragte er neugierig.
Valerie ließ ihren Sohn ein bisschen zappeln. »Was, und?«, stellte sie sich ahnungslos.
»Jetzt mach es nicht so spannend«, quengelte er. »Nimmt er dich?«
»Ich weiß nicht«, sagte Valerie, obwohl sie eigentlich davon überzeugt war, dass Ludvig Stekkelson sich für sie entscheiden würde. »Ich habe den Eindruck, dass wir auf einer Wellenlänge sind. Er ist auf jeden Fall ein guter Anwalt, und er scheint auch sehr nett und menschlich zu sein.«
Lasse genügte diese Auskunft. »Okay, und wann kriege ich ein Pferd?«
Valerie lachte laut auf. »Noch habe ich keine Zusage. Aber er hat mir geraten, dass wir uns hier ein bisschen umsehen sollten.« Valerie legte ihre Hand auf die Schulter ihres Sohnes. »Also los, ich spendiere uns ein schönes Essen.«
Lasse nickte erleichtert. Es war ihm anzusehen, dass er sich bereits jetzt in Boxenberg wohlfühlte, und auch Valerie fühlte sich überraschend heimisch. Obwohl sie noch nie hier gewesen war, hatte sie das Gefühl, nach Hause gekommen zu sein.
So war es also, wenn man von der Vergangenheit eingeholt wurde. Er hatte damit gerechnet, nach Kerstins Tod nie wieder mit ihr konfrontiert zu werden.
Wieso ausgerechnet jetzt? Und wieso ausgerechnet hier, in Boxenberg?
Er beobachtete vom Fenster aus, wie sie aus dem Haus trat, während Ludvig im Vorzimmer mit einer seiner Sekretärinnen sprach. Kurz darauf trat sein Freund zu ihm und schloss die Tür hinter sich. »Ich muss mir die anderen Bewerber gar nicht erst ansehen«, sagte er, während er seinen Schreibtisch umrundete. »Diese Frau ist große Klasse. Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass sich eine so erfahrene Anwältin für meine kleine Provinzkanzlei interessiert.« Er nahm die Bewerbung hoch, die noch auf seinem Schreibtisch lag.
»Das geht nicht«, sagte Olof scharf.
Ludvig Stekkelson schaute auf. »Wie bitte?«
»Du kannst sie nicht einstellen«, sagte Olof Borg mit dumpfer Stimme.
Ludvig Stekkelson musterte seinen Freund eindringlich. »Valerie Borg ist perfekt«, widersprach er. »Warum sollte ich sie nicht …?«
»Weil sie meine Tochter ist«, fiel Olof ihm heftig ins Wort.
Lasse hatte ein Sportgeschäft entdeckt, das ihn sofort mehr als das versprochene Essen interessierte. Sie verabredeten, er dürfe sich eine halbe Stunde in dem Laden umsehen, während sie die Gegend um den Marktplatz erkundete.
Langsam schlenderte Valerie durch die gemütlichen Straßen. Sie genoss es, ein paar Minuten alleine zu sein, und ließ die Stadt und die neuen Eindrücke auf sich wirken. Ihre Schritte hallten auf dem Kopfsteinpflaster, während sie an den gemütlichen,
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