Winslow, Don
einem See erwartet, ist nicht viel mehr als ein großes Oval aus
Wasser, aber man kann an seinem südlichen Ende spazieren gehen, und das macht
Nora großen Spaß. Meist weidet dort eine große Herde schwarzbunte Holsteiner,
und die findet sie immer sehenswert.
Manchmal fahren sie also an den
See und laufen ein bisschen herum, manchmal auch in die Hochwüste zwischen
Ranchita und Culp Valley, wo gewaltige runde Felsblöcke verstreut liegen, als
hätte ein Riese Murmeln gespielt und vergessen, sie einzusammeln. Oder sie
fahren einfach zum Inaja Peak hinauf und klettern das letzte Stück vom
Parkplatz bis zum Aussichtspunkt, von dem man einen grandiosen Blick über die
Berge hat und bis nach Mexiko sehen kann.
Dann, wieder zu Hause, essen sie
Mittag - er ein Truthahn- oder Schinkensandwich, sie ein wenig Obst, das sie
vorher im Supermarkt besorgt hat -, dann folgt eine lange Siesta. Sie hat
vorher nie bemerkt, wie müde sie war und wie sehr ihr Körper den Schlaf
braucht, weil er einfach danach verlangt, und sie schläft jetzt sofort ein,
wenn sie sich hinlegt.
Nach der Siesta sitzen sie
entweder im Wohnzimmer oder, wenn es warm ist, auf der kleinen Veranda. Sie
liest ihre Bücher, er hört Radio und blättert in Illustrierten. Am späten
Nachmittag gehen sie hinüber zum Supermarkt und besorgen etwas zum Abendessen.
Sie kauft gern für jede Mahlzeit extra ein, weil sie das an Paris erinnert, und
löchert den Mann an der Fleischtheke so lange, bis sie weiß, was an diesem Tag
besonders zu empfehlen ist.
»Kochen bedeutet zu neunzig
Prozent einkaufen«, erklärt sie Callan. »Okay?«
Er glaubt, dass ihr das Einkaufen
und Kochen mehr Spaß macht als das Essen, weil sie zwanzig Minuten damit
verbringt, die besten Steaks auszusuchen, und am Ende isst sie nur zwei Happen
davon. Oder drei, wenn es sich um Fisch oder Hühnchen handelt. Und sie treibt
einen Riesenaufwand mit dem Gemüse, das sie in großen Mengen verputzt. Für ihn
kauft sie Kartoffeln (»Ich weiß, du bist Ire«), während sie sich braunen Reis
kocht.
Aber sie kochen gemeinsam. Das ist
zu einem richtigen Ritual geworden, und er genießt es, wenn sie in der winzigen
Küche umeinanderschlurfen, Gemüse schnippeln, Kartoffeln schälen, Öl erhitzen,
das Fleisch sautieren oder die Nudeln kochen und dabei plaudern - über alles mögliche,
über Filme, über New York, über Sport. Sie erzählt ein bisschen aus ihrer
Kindheit, er ein bisschen aus seiner, aber die harten Sachen lassen sie weg.
Sie erzählt ihm von Paris - über das Essen, die Märkte, die Cafés, die Seine, dieses besondere Licht.
Über ihre Zukunft reden sie nicht.
Nicht mal über die Gegenwart.
Nicht darüber, was sie hier machen, wer sie überhaupt sind, was sie füreinander
bedeuten.
Sie haben nicht miteinander geschlafen, sich nicht einmal
geküsst, sie wissen beide nicht, ob es ein Noch-nicht ist oder was sonst. Sie
weiß nur, dass er der zweite Mann in ihrem Leben ist, der sie nicht einfach nur
ficken will, und vielleicht der erste, der ihr als Mann gefallen könnte. Er
weiß nur, dass sie bei ihm ist, und das genügt ihm, Damit kann er leben.
Scachi fährt den Sunrise Highway entlang, als ihm etwas
ins Auge sticht - eine verlotterte Farm, die aussieht wie ein Autofriedhof.
Interessant, denkt Scachi und biegt ein.
Der typische Autofreak kommt
angetrottet. »Kann ich helfen?«
»Vielleicht«, sagt Scachi.
»Verkaufen Sie diese Schrotthaufen?«
»Ich bastle nur so dran rum.«
Aber Scachi sieht schon das
Flackern in seinen Augen und klopft ein bisschen auf den Busch. »Haben Sie vor
kurzem eins verkauft, bei dem die Beifahrertür klemmt?«
Jetzt starrt ihn der Typ an wie
ein Gespenst. Woher weiß der das?
»Wer sind Sie?«, fragt er.
»Wie viel hat er gezahlt, damit
Sie die Klappe halten?«, fragt Scachi. »Ich bin der Mann, der Ihnen noch mehr
zahlt, damit Sie die Klappe wieder aufmachen. Andernfalls beschlagnahme ich Ihr
Haus, Ihr Land, alle Autos und sogar das Bild von Richard Petty samt Autogramm
und stecke Sie in den Knast, bis die Chargers den Super Bowl gewinnen, mit
anderen Worten: für immer.«
Er zieht sein Geldbündel aus der
Tasche und fängt an, die Scheine herunterzublättern. »Sagen Sie halt.«
»Sind Sie von der Polizei?«
»Und noch ein paar«, sagt Scachi
und blättert weiter. »Sind wir schon da?«
Fünfzehnhundert Kröten. »Fast.«
»Sie sind wohl 'n ganz Schlauer,
was? Sechzehnhundert, und dann ist Schluss, mein Freund. Sie wollen doch
Weitere Kostenlose Bücher