Winter auf Italienisch
Das war
sicher die schlauere Variante, dachte ich, griff hastig nach meinem Glas und
leerte es, bevor er mir zuprosten konnte. Verwundert sah er mich an, sagte aber
nichts.
Die anderen unterhielten sich. Elisabeta
mit Marco. Sie schienen sich gut zu verstehen. Mafi zankte mal wieder mit
Giacomo, Filippo und Cinzia sahen interessiert dabei zu. Wir waren also mit uns
allein.
»Bist du aufgeregt oder hast du ein
Alkoholproblem?«, flüsterte Matteo mir zu. Ob vom Rotwein oder seinem fragenden
Blick, jedenfalls glühten meine Wangen. Der Wein war mir augenblicklich in den
Kopf geschossen. Wann hatte ich das letzte Mal etwas gegessen? Heute Mittag,
das Brötchen bei eisiger Kälte. Jedenfalls nahm er mir ein wenig die Hemmung zu
sagen, was ich dachte, was ich fühlte.
»Ich trinke nur, wenn aufdringliche,
fremde Typen ihre Beine an meinen Knien reiben«, flüsterte ich keck zurück,
bereute es aber sofort, als ich sein belustigtes Grinsen sah. Dabei ließ er
sich noch etwas tiefer in den Sitz gleiten, sodass sein Knie nun fast eine
Stelle berührte, die gerade noch mehr glühte als meine Wangen. Gleichzeitig
griff er nach seinem Glas und leerte es nun ebenfalls in einem Zug.
»Geht mir genauso«, sagte er und ließ
sein Bein, wo es war.
Was meinte er nur damit, fragte ich mich.
Sollte das heißen, dass es ihn ebenso aufwühlte wie mich? Oder gar, dass er
sich für mich interessierte?
Mattia schenkte uns nach. Halb Wein, halb
Wasser, und ich war ihm dankbar dafür. Als die Vorspeise kam, knurrte mein
Magen laut. So lecker das italienische Essen mir schmeckte, störte es mich
gerade jetzt besonders, dass es immer nur in kleinen Häppchen serviert wurde:
ein Gang mit ein etwas eingelegtem Gemüse oder ein Süppchen, ein halber Teller
voll Pasta, die so gut schmeckte, dass mein Magen eigentlich nach einem
ordentlichen Nachschlag verlangte, dann etwas Salat mit einem Hauch von
Fleisch, den mein Vater sich in Deutschland als Aufschnitt aufs Brot gelegt
hätte. Selbst der winzige Haufen Panna cotta mit Caramelsoße zum Abschluss war
viel zu klein. Ich spähte in die Runde, ob jemand die Kalorienbombe
verschmähte, hatte aber Pech. Gerade hob ich enttäuscht meinen Kopf, als ich
schon wieder in Mattias belustigtes Gesicht schaute. Er hatte mich doch nicht
etwa die ganze Zeit über beobachtet? Ich war extrem hungrig gewesen. Da konnte
es schon mal passieren, dass ich etwas weniger ladylike losspachtelte.
»Cameriere!« Matteo winkte den Kellner
herbei. »Bitte noch eine Panna cotta für die Signorina.«
»Oder lieber gleich zwei?«, fragte er an
mich gerichtet und ich schüttelte schnellstens den Kopf. Nun waren alle Blicke
auf mich gerichtet. Hilflos zuckte ich mit den Schultern.
»Was soll ich denn machen, wenn es mir
bei euch so gut schmeckt, aber die Portionen so winzig sind?«
Und alle prusteten los vor Lachen.
Kapitel 7
Satt, zufrieden und ein kleines bisschen
wackelig auf den Beinen folgte ich den anderen in die klare Winternacht hinaus.
Am Himmel glitzerten unzählige Sterne. Der Schnee wurde vom fahlen Mondlicht
beschienen. Mafalda und Elisabeta hatten sich bei mir untergehakt. Cinzia und
Giacomo gingen zum Glück ganz vorne, weit weg von Mafi. So konnten sie einander
nicht schon wieder piesacken. Unauffällig sah ich mich nach Mattia um. Er war,
zusammen mit Marco, ein wenig
zurück gefallen.
»Sollten wir nicht lieber langsamer gehen
und auf die beiden warten?«, fragte ich Mafi.
»Ach, was! Die werden schon wieder
aufrücken, wenn sie fertig sind mit ihrer Geheimniskrämerei«, antwortete sie.
»Geheimnisse? Was für Geheimnisse haben
sie denn?«, wollte ich wissen. Elisabeta grinste.
»Na, wahrscheinlich sucht Marco nach
einer Möglichkeit, dich von Mafi wegzulocken.«
»Meinst du echt?«, fragte ich
interessiert und sah dabei Mafi an.
»Naja, wir verstehen uns schon länger
ganz gut.« Mafalda zuckte mit den Schultern. »Und seit Elisabeta und Filippo
sich näher gekommen sind, spielt er wohl auch endlich mit dem Gedanken, sich zu
trauen.«
»Aber wenn du ihn auch magst, warum gehst
du dann nicht auf ihn zu, wenn er nicht weiß, wie er es anstellen soll?«,
fragte ich weiter.
»In Italien ist es üblich, dass der Mann
den ersten Schritt macht«, erklärte Elisabeta.
»O.k., das wusste ich nicht.« Ich sah
meine Freundin Mafi an. Mit ihrer frechen Kurzhaarfrisur und der Brille wirkte
sie alles andere als zu schüchtern, um einen jungen Mann anzusprechen. Aber
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