Winter auf Italienisch
bekam ich schon am Morgen weiche
Knie.
»Ah, sei già pronta anche tu! Oh, du bist
ja auch schon fertig!«, freute er sich. Ich nickte.
»Ich gehe schon runter«, sagte ich. »Ich
wollte nur sicher gehen, dass alle auf sind, und noch mal bei allen anklopfen.«
»Eine gute Idee. Warte, ich komme gleich
mit.«
Offenbar war er kein Morgenmuffel. Das
gefiel mir.
Mattia und ich saßen uns am Tisch
gegenüber. Genau wie am Abend zuvor. Nur genossen wir es heute beide, dass
unsere Knie sich berührten. Es fühlte sich gut und richtig an. Der Cappuccino
belebte mich und die Brioches waren warm und frisch gebacken. Draußen brachten
die ersten Sonnenstrahlen den Schnee zum Glitzern. Es würde ein herrlicher
Wintertag werden.
„Perfektes Skiwetter!«, sagte Mattia, als
habe er meine Gedanken erraten. Nach und nach trafen die anderen ein, die
meisten verschlafen, aber voller Tatendrang. Filippo bot Mafalda den Platz
neben sich an, und ich sah, wie ihre Augen glänzten. Es machte mich froh, zu
sehen, dass sie sich wohl fühlte. Es nahm mir auch das schlechte Gewissen, dass
ich so viel Zeit mit Mattia verbrachte. Eigentlich hatte ich ja sie besucht.
Sowieso war das Unsinn. Wir waren alle zusammen eine große Gruppe, niemand war
hier allein. Nur waren wir junge Frauen und Männer, und dass offensichtlich
jeder sein passendes Gegenstück gefunden hatte, war doch das Beste, was uns
passieren konnte.
Beim Skiverleih angekommen, erkundigte
sich der uns zugewiesene Mitarbeiter nach unseren Fahrkenntnissen. Dann maß er
unser Kniebreite aus.
»Ich brauche das, um zu wissen, wie fest
ich jedem Einzelnen von euch die Skibindungen einstellen muss«, erklärte er
Cinzia, als sie danach fragte. Sie war noch Anfängerin und so stellte er ihre
Bindung so ein, dass sie leichter aufsprang. Mafalda, Giacomo und ich konnten
schon gut fahren. Mattia war sich nicht sicher. Er war zwar schon mehrmals
gefahren, stufte sich selbst aber nur als mittelmäßig guten Fahrer ein.
Elisabeta, Marco und Filipo schlossen sich ihm an. Mit klobigen Stiefeln, Ski
und Stöcken ausgestattet, machten wir uns schwerfällig auf zur Talstation der
Gondel. Es war bereits fast halb zehn, als wir die Gondel bestiegen.
Der Ausblick war einfach fantastisch.
Andächtig standen wir da - jeder der Männer sein Mädchen fest im Arm - und
sahen zu, wie der Ort Cervinia unter uns immer kleiner wurde. Weiß glitzernde
Berge, wohin das Auge reichte. Schneebepuderte Tannen, dazwischen die
Silhouetten der ersten Skifahrer. Wie verzaubert schmiegte ich mich in Mattias
Arme und sein Kinn ruhte auf meinem Kopf. Ein Moment für die Ewigkeit.
Kapitel 9
Als wir zusammen mit vielen anderen Skifahrern
die Gondel verlassen hatten, fanden wir uns auf einem weitläufigen Plateau
wieder. Mehrere Liftanlagen transportierten die Skifahrer bis zu den Gipfeln
hinauf. Giacomo führte uns zu einem Sessellift, der weit nach oben fuhr, wo
sich auch ein Restaurant befinden sollte. Cinzia hatte ein bisschen Angst, aber
Giacomo bot sich sofort an, mit ihr zusammen den Tag zu verbringen und ihr zu
einer sicheren Talfahrt zu verhelfen.
»Vor dem Einsteigen in einen Lift habe
ich noch immer ein bisschen Angst«, flüsterte ich Mattia zu.
»Ich dachte, als Profiskifahrerin würdest
du mir beim Einstieg helfen«, flüsterte er zurück.
Für Cinzia und sich ließ Giacomo den
Sessellift kurz anhalten. Was für eine nette Geste, fand ich. Da wir gleich
nach ihnen an der Reihe waren, fuhr der Sessel nur ganz langsam in unsere
Kniekehlen, sodass wir bequem in dem breiten Sessel Platz nehmen konnten.
Vorsichtig hielt ich die Ski nach außen, während Mattia den Stahlbügel über uns
nach unten zog, damit wir gesichert waren. Entspannen konnte ich mich erst, als
unsere Ski sicher auf der dafür vorgesehenen Stahlstange auflagen.
Ich sah nach unten.
»Ganz schön tief.«
»Hai paura? Hast du Angst?«, fragte
Mattia.
»Nein, nur dass ich einen Ski verlieren
könnte. Das ist mir schon mal passiert, als ich noch mit meinem Vater fuhr.«
»Fährt dein Vater nicht mehr?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Nein, der sagt, er sei inzwischen zu alt
dafür.«
»Jetzt hast du ja mich«, sagte Mattia und
strich mir mit seiner behandschuhten Hand über die Wange.
»Ja, das wäre schön«, sagte ich mehr zu
mir selbst und sah zu dem spitzen Berg hinauf, den ich schon vom Tal aus
gesehen hatte.
»Von hier wirkt er gar nicht mehr so
hoch, vero? Stimmt‘s?« Mattia war meinem Blick
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