Winter der Zärtlichkeit
Augen.
„Ich gehe besser rauf und spreche mit ihm“, erklärte Travis. „Nein. Lass ihn in Ruhe. Bitte.“
Noch etwas ging zu Bruch.
Sie öffnete Liams Rucksack und nahm den Inhalator heraus. „Ich muss ihn beruhigen. Danke für ... alles. Und leb wohl.“
„Sierra ...“
„Leb wohl, Travis.“
Auch sie lief die Treppe hinauf.
Liam hatte sein neues Teleskop und den DVD-Player zerstört. Er stand inmitten der Trümmer, ein hilfloses Kind in einer von Erwachsenen regierten Welt, sein Gesicht rot und tränennass.
Bevor sie zu ihm ging, hob Sierra seine Schuhe auf. „Zieh die an, Kumpel.“ Sie kniete sich vor ihn, um ihm zu helfen. „Du wirst sonst noch in die Scherben treten.“
„Ist er ...“ Liam schluckte ein Schluchzen hinunter. „... weg?“
„Ich glaube, schon.“
„Warum?“, heulte Liam und legte eine Hand auf ihre Schulter, um nicht umzukippen, während sie ihm zuerst den einen und dann den zweiten Schuh anzog. „Warum muss er gehen?“ Sie seufzte. „Ich weiß es nicht, Liebling.“
„Mach, dass er bleibt!“
„Das kann ich nicht, Liam.“
„Doch, kannst du! Du willst es nur nicht! Du willst nicht, dass ich einen Dad habe!“
„Liam, das reicht.“ Sierra richtete sich auf und reichte ihm den Inhalator. „Atme“, befahl sie.
Er gehorchte und atmete zwischen herzzerreißenden Schluchzern ein und aus. „Mach, dass er bleibt“, weinte er.
Draußen knallte eine Autotür zu, ein Motor heulte auf.
Und auf einmal kam Bewegung in Sierra.
Sie rannte die Treppe hinunter, durch die Küche und riss die Hintertür auf. Ohne Mantel raste sie über den Hof auf Travis’ Truck zu.
Als er sie sah, hielt Travis den Wagen an und ließ das Fenster hinunter.
„Warte“, rief sie und sprang aufs Trittbrett. Und dann wusste sie nicht, was sie noch sagen sollte.
Da Travis vorsichtig die Tür öffnete, musste sie wieder auf den Boden springen. Während er ausstieg, zog er seinen Mantel aus, um sie darin einzuwickeln. Aber er sagte keinen Ton. Er stand einfach nur da und starrte sie an.
Sierra schmiegte sich in seinen Mantel. Er roch nach ihm, und sie wünschte, sie könnte ihn für immer behalten. „Ich dachte, es hätte etwas bedeutet“, murmelte sie schließlich. „Dass wir miteinander geschlafen haben, meine ich. Ich dachte, es hätte etwas bedeutet.“
Er legte eine Hand unter ihr Kinn. „Glaub mir“, brummte er. „Das hat es.“
„Warum gehst du dann?“
„Weil mir schien, dass nichts anderes zu tun war. Du warst mit Liam beschäftigt und hast ziemlich klargemacht, dass es nichts zu reden gibt.“
„Wir haben über eine Menge zu reden, Travis Reid. Ich bin nicht nur irgendein ... irgendein Rodeo-Groupie, das du nach dem Sex einfach vergessen kannst!“
„Das kannst du laut sagen.“ Er lächelte ein wenig. „Hättest du etwas dagegen, wenn wir das Gespräch drinnen weiterführen? Hier draußen ist es arschkalt, und ich habe keinen Mantel an.“
Gefolgt von Travis, marschierte Sierra zurück ins Haus.
Dabei versuchte sie nicht darüber nachzudenken, was das alles bedeuten mochte.
Drinnen deutete sie auf den Tisch, zog den Mantel aus und begann, Kaffee zu kochen, um sich in der Zwischenzeit zu überlegen, was sie sagen sollte.
Aber Travis trat hinter sie und legte seine Hände auf ihre Schultern. „Sierra“, sagte er. „Hör auf, an der Kaffeemaschine rumzufummeln, und sprich mit mir.“
Sie drehte sich um. „Es ist ja nicht so, dass ich eine Hochzeit erwarte oder so was“, wisperte sie. Wahrscheinlich hockte Liam oben an der Treppe und lauschte. „Wir sind erwachsen. Wir hatten ... wir sind erwachsen. Aber nach allem, was geschehen ist, hättest du uns wenigstens etwas sagen können ...“
„Als Brody starb, bin ich auch gestorben. Ich habe alles hinter mir gelassen - mein Haus, meinen Job, alles. Und dann habe ich dich getroffen, und als ... “ Mit einem schiefen Lächeln brach er ab und blickte zur Treppe. Er vermutete wohl genauso wie sie, dass Liam lauschte. „Als wir erwachsen waren, wusste ich, dass das Spiel aus ist. Dass ich langsam die Kurve kriegen und wieder anfangen muss zu leben.“
Sie sah ihn sprachlos an.
Sanft berührte er ihre Lippen mit seinen. Es war kein richtiger Kuss, fühlte sich aber so an. „Es ist noch zu früh“, fuhr er fort, „aber ich werde es jetzt trotzdem sagen. Gestern ist et was mit mir geschehen. Etwas, das ich nicht verstehe. Ich weiß nur, dass ich keinen Tag länger wie ein zum Tode Verurteilter leben kann.
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