Winterherzen
ihrer überlasteten Muskeln und tröstete sich mit dem Gedanken, dass in wenigen Wochen alles vorüber sein wür de.
Anfang Oktober verordnete Dr. Easterwood mehr Ruhe und verbot ihr das Autofahren, sodass sie nicht mehr ins Geschäft gehen konnte. Statt von Erica und Derek und unzähligen Kunden verhätschelt zu werden, umsorgten sie nur noch Mrs. Melton und Marcie, die mehrmals am Tag heraufkam. Rome verbrachte nun die Abende stets zu Hause und ließ Max für ihn einspringen, wenn Geschäftsessen stattfanden.
Sarah wurde so schwerfällig, dass sie den Laden nicht einmal vermisste. Sie las sehr viel, aber sie konnte sich eigentlich auf nichts konzentrieren. Am Nachmittag schlief sie meistens, denn dann schlief das Baby, während es nachts die verschiedensten Aerobicübungen ausführte.
Nachts, wenn sie wach lag, nur mit dem ungeborenen Kind zur Gesellschaft, quälte sie die Frage, ob sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. Allein der Gedanke, das Kind nicht zu bekommen,war ihr unerträglich, denn es war Romes Kind, gezeugt in einem Akt der Liebe. Doch Romes Ablehnung war durchaus ernst zu nehmen. Wenn seine Liebe zu ihr starb, würde sie dann ihrem eigenen Baby die Schuld geben?
Sie dachte an Adoption, schreckte jedoch davor zurück. Wenn sie auf ihr Kind verzichtete, würde der Verlust sie ihr Leben lang verfolgen.
Bisher hatte sie kaum über diese Dinge nachgedacht. Die Arbeit im Geschäft, die ständige Gesellschaft anderer Menschen hatten sie abgelenkt. Doch nun verbrachte sie die Tage zumeist allein, hatte nichts zu tun als nachzudenken, und sie bekam Angst.
Wenn sie Rome verlor, was sollte sie dann tun? Sie hatte bei der Heirat auf ein Wunder gehofft und es gefunden. Doch durch das Baby setzte sie bewusst ihre Ehe aufs Spiel. Er hatte sich bereits von ihr zurückgezogen und wurde mit jedem Tag unnahbarer. Er war freundlich und sorgte sich um ihren Gesundheitszustand, aber das Baby verhinderte jegliche Intimitäten, und Sarah begann zu befürchten, dass sie immer mehr zu Fremden wurden, dass er gleichgültig wurde und ihr nur noch aus Höflichkeit seinen Namen lieh, bis das Baby geboren war.
Die erste Unterrichtsstunde über natürliche Geburt fand an einem Abend statt, als Rome über Nacht auf Geschäftsreise war, sodass Sarah ihm nicht zu erklären brauchte, wohin sie ging. Sie war sehr froh, dass Marcie sie begleitete, doch alle anderen Frauen waren mit ihren Ehemännern erschienen und warfen ihr mitleidige Blicke zu.
Am nächsten Nachmittag kehrte Rome zurück. Er kam ins Wohnzimmer, wo sie mit hochgelegten Füßen ein Kreuzworträtsel löste, und verkündete zornig: „Ich wollte dich gestern Abend anrufen, aber du warst nicht da. Wo hast du gesteckt?“
Erschrocken blickte sie auf und wandte dann den Blick ab.
Er zog sich das Jackett aus, warf es auf die Sofalehne und setzte sich ihr gegenüber. Er strich sich durch das windzerzauste Haar und sagte leise: „Ich warte.“
Sarah schloss das Rätselheft und legte es beiseite. „Es tut mirleid, dass ich es dir nicht vorher gesagt habe, aber ich wusste nicht, wie. Ich besuche mit Marcie einen Kursus über natürliche Geburt. Sie hilft mir bei den Übungen. Gestern Abend hat die erste Stunde stattgefunden.“
„Ich kann vermutlich von Glück sagen, dass du nicht Max darum gebeten hast“, entgegnete er schroff.
„Rome!“, rief sie betroffen.
„Entschuldige. Ich habe es nicht so gemeint. Verdammt! Ich bin froh, wenn alles vorbei ist.“
„Noch ein paar Wochen“, flüsterte sie und beobachtete ihn ängstlich. „Und was dann?“
Er atmete tief durch, mit grimmiger Miene. „Dann habe ich meine Frau wieder.“
„Ich weiß, dass es schwer für dich ist …“
„Nein, du hast keine Ahnung.“ Seine Stimme wurde hart. „Du hast dich sehr klar ausgedrückt: Finde dich damit ab oder verschwinde. Du willst das Baby mehr als mich. Ich habe sehr gründlich darüber nachgedacht. Zuerst wollte ich gehen, aber dann habe ich beschlossen zu nehmen, was ich kriegen kann. Momentan stehe ich an zweiter Stelle bei dir, aber das wird nicht so bleiben. Wenn das Baby erst einmal geboren ist und wenn ich dich wieder anfassen kann, wirst du wieder meine Frau sein, vor allem anderen. Wenn du damit nicht leben kannst, dann sage es mir jetzt gleich.“
Sie saß sehr still da, ein wenig blass, aber sie hielt seinem Blick stand. „Ich wollte nie etwas anderes, als deine Frau zu sein.“
„Ich will nicht, dass das Baby zwischen uns steht. Wenn ich
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