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Winterland

Winterland

Titel: Winterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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denken sie dies, oder denken sie es eher, wenn ich dies tue – ungefähr wie wenn ein Fußballspieler beim Elfmeter einem Torwart gegenübersteht, der weiß, dass er, der Spieler, immer in die linke Ecke zu schießen pflegt, und der deshalb meint, dass der Torwart auch weiß, dass er, der Spieler, annimmt, dass er, der Torwart, weiß, wie es immer läuft, und dass er sich deshalb auf die andere Ecke konzentriert, aber weil er weiß, dass der Torwart weiß, dass er weiß, landet der Ball vielleicht doch wieder in derselben Ecke, vielleicht auch nicht …
    Das war wahrscheinlich viel zu kompliziert gedacht. Vermutlich hatten wir es »nur« mit einem geisteskranken Mörder zu tun, der sich seiner Taten nicht einmal bewusst war.
    Und ich konnte nicht sagen, welche der Möglichkeiten die erschreckendere war.
     
    Die Untersuchungen gingen nur schleppend voran.
    »Was zum Teufel hat er nur mit ihrem Kopf vor?«, hatte Munter mehr als einmal ausgerufen.
    Oder mit ihrem Gesicht, hatte ich gedacht. Ging es mehr um das Gesicht selbst? Bedeutete es dem Mörder etwas? Ist es das, was er nicht … loslassen will? Niemals loslassen will?
    Ging es darum, eine Identität zu verbergen? Wessen Identität?
    Nachts träumte ich. Von Gesichtern, die über weiße und kalte Felder hinwegflogen. Köpfe rollen wie Fußbälle, schwarz und weiß. Es waren keine schönen Träume.
     
    Die Tage vergingen. Es war immer noch kalt, aber es schneite nicht mehr. Am Sonntag machte ich mich auf zum Freizeitgelände am Rande der Stadt, um eine Runde Langlaufen zu gehen. Ich spürte, wie untrainiert mein Körper war, und musste an den muskulösen, aber entstellten Körper auf der Stahlpritsche denken. Ich hatte keinen Grund zu klagen und tat es auch nicht. Stattdessen fuhr ich noch eine Runde und verspürte eine Mischung aus Übelkeit und Blutgeschmack, als ich die Ziellinie erreichte, die ich mir gesteckt hatte.
    Dann saß ich lange in der Sauna und dachte über Paarbeziehungen nach. Ich hatte selbst bis vor kurzem mit jemandem zusammengelebt. Für mich war die Entwicklung von Zweisamkeit zu Einsamkeit gegangen, und ich lebte jetzt allein.
    Es hatte nicht funktioniert, zu zweit zu sein, zumindest nicht für mich und die Frau, die ich jetzt zu vergessen versuchte. Das Skifahren hatte geholfen, nicht aber die Sauna. Da saß man einfach zu still.
     
    Als ich über den Parkplatz zum Auto ging, hörte ich ein Pfeifen und Rufe, die sich wie Zeitangaben anhörten.
    Es waren tatsächlich Zeitangaben. Ich ging nach rechts über einen kleinen Hügel und sah dort auf der anderen Seite des Walls, der von dem vielen Schnee, den man daraufgehäuft hatte, noch höher geworden war, die Eislaufbahn liegen.
    Die Schlittschuhläufer liefen in ihrer charakteristischen Haltung, die wie eine Pantomime über das Leiden wirkte, im Kreis. Ich fand schon immer, dass diese Sportart etwas Mittelalterliches an sich hatte, die Eisschnellläufer sahen aus wie Menschen auf mittelalterlichen Gemälden. Und dann das Leiden. Und die Tatsache, dass die Sportart in diesem Land ausgestorben zu sein schien, und man das Gefühl hatte, als hätte sie ihre Blütezeit im Mittelalter gehabt.
    Dort unten stand ein Mann mit einer Trillerpfeife und rief Zeiten. Fünf Läufer fuhren ihre Runden, scheinbar ohne das Tempo zu steigern oder zu vermindern. Das war kein Wettkampf, auch wenn das gut möglich gewesen wäre – hier war sowieso nicht mit Publikum zu rechnen. Und auf den niedrigen Bänken aus Holz, die sicherlich irgendwann im Spätmittelalter hier errichtet worden waren, saßen demnach auch keine Zuschauer. Aber die Läufer blieben manchmal stehen, das konnte ich jetzt sehen, und besprachen sich mit dem Trainer, ehe sie weiterliefen.
    Ich ging näher heran. Es war immer etwas Besonderes dabei, gerade Eisschnellläufer in ihren Anzügen zu sehen, diese vom Trikot in gewisser Weise bloßgelegte muskulöse Kraft, vor allem in den Beinen, und der enorme Schwung beim Abstoß …
    Mein Blick blieb an einer der Läuferinnen hängen, die für eine Sekunde angehalten hatte, aber nun weiterfuhr. Vielleicht hatte sie mich angeschaut, ich zumindest hatte lange genug hingeschaut, um zu erkennen, dass sich unter dem Anzug ein weiblicher Körper befand.
    Ich dachte an die muskulösen Oberschenkel der ermordeten Frau. Ihr Körper, der sich hartem Training unterworfen hatte. Die Ärzte wussten es immer noch nicht genau zeitlich einzuordnen.
    Ihre kräftigen Oberschenkelmuskel. Ich sah die

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