Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Winterland

Winterland

Titel: Winterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
Vom Netzwerk:
würde man durch Eis fahren, ein kristallklarer Widerstand in der Luft. Ich überprüfte im Rückspiegel, ob mein Auto Abdrücke in der Luft hinterließ.
    Mit dem Sekretär des Clubs, der dort das Mädchen für alles war, hatte ich schon gesprochen. Er war ein seriöser Mann, der trotz allem an die Zukunft glaubte.
    »Ja, etwas haben wir wahrscheinlich«, antwortete er auf meine Frage. »Das müsste aus dem vergangenen Jahr sein, glaube ich.«
    »Wo sind die Filme?«
    »Die habe ich zu Hause«, sagte er. »An einem geheimen Ort aufbewahrt, wie man so schön sagt. Ich nehme es mit dem Eigentum des Clubs sehr genau. Hier im Büro gab es kürzlich einen Einbruch, da hat jemand rumgewühlt. Es war fast, als wären die Leute auf der Suche nach diesen Filmrollen gewesen, ganz seltsam. Sie gingen geradewegs auf die Kiste los.« Er sah ein wenig empört aus. »Als hätte ich gespürt, dass hier jemand einbrechen würde.«
     
    Auf meine Anfrage hin arrangierte er sogleich eine Privatvorführung bei sich zu Hause, wo er das dunkelblaue Rollo im Wohnzimmer herunterzog. Die weiße Landschaft draußen schien trotzdem noch herein, aber man konnte die Filmsequenzen der Eisschnellläufer, die unablässig im Kreis fuhren, dennoch gut erkennen. Unter normalen Umständen wäre das ungefähr so interessant gewesen, wie der Farbe auf einer Wand beim Trocknen zuzusehen, doch ich versuchte Gesichtszüge zu erkennen und vor allem die Physiognomie der Körper in den anonymen Anzügen.
    Plötzlich sah man ein Gesicht aus der Nähe, ein Lächeln. Das Gesicht sagte etwas zu dem Fotografen, was man aber nicht verstehen konnte.
    »Wer hat den Film aufgenommen?«, fragte ich.
    »Das war unser Trainer.«
    Das Gesicht auf dem Bild gehörte einer Frau zwischen fünfundzwanzig und dreißig Jahren, und ich kannte sie nicht. Ich stand auf und merkte, wie mir eine Gänsehaut über den Rücken lief.
    »Wer ist das?«, fragte ich.
    »Das ist Birgitta Sonesson«, erwiderte er.
    »Wie bitte?«
    »Birgitta Sonesson.«
    »Birgitta Sonesson?«, fragte ich. »Das ist doch nicht Birgitta Sonesson!«
    Er sah mich mit einem eigentümlichen Blick an.
    »Das kann sie nicht sein«, sagte ich. »Ich weiß doch, wer Birgitta Sonesson ist.«
    »Ja, ich auch«, beharrte er und zeigte auf die Frau.
    »Ich habe sie auf dem Eis gesehen«, sagte ich. »Und ich habe sie auch vorher schon gesehen.« Jetzt sah ich in das Gesicht der fremden Frau und dann wieder zu dem Sekretär. Ich erzählte ihm von meinem ersten Besuch, als ich Skilaufen gewesen war.
    »An dem Tag war ich nicht hier«, sagte er.
    »Aber, wenn das hier Birgitta Sonesson ist«, sagte ich zögernd und nickte dem Frauengesicht zu, das in die Kamera lächelte, »wer ist dann die Frau, die sich Birgitta Sonesson nennt?«
     
    »Annie Lundberg«, sagte Munter. »Mein Gott.«
    »Wir haben sie nie den Eltern gegenübergestellt.«
    »Mein Gott.«
    »Schnell.«
    »Warten Sie, Berger! Sie wird nirgendwohin fahren. Und wenn sie es tut, dann werden wir sie finden.« Er wies mit der Zigarette im Mund auf mich. »Sie müssen mir erst Ihre Theorie erklären.«
    »Theorie? Reicht nicht das, was auf der Hand liegt? Das, was man sehen kann.«
    »Jetzt lassen Sie mal hören«, sagte Munter und ließ die Zigarette jetzt zur Abwechslung mal im Mund kreisen, Runde um Runde. Das sah ziemlich bescheuert aus, aber für Menschen, die mit dem Rauchen aufhören, ist nichts unnormal oder wird von anderen als unnormal betrachtet.
    »Sie hat die Freundin und vielleicht auch Geliebte ermordet«, sagte ich. »Das Motiv ist uns nun gerade mal egal, ob sie nun einsam war oder wie die Sache vonstatten ging. Wir gehen mal von dem Mord aus, okay? Annie Lundberg will Birgitta Sonesson ermorden und tut es auch. Dann zerstört sie alle Möglichkeiten der Identifikation und lässt uns in dem Glauben, dass wahrscheinlich auch irgendjemand Annie Lundberg ermordet hat! Oder sie wenigstens entführt hat.«
    »Mhm«, nickte Munter.
    »Annie Lundberg verschwindet von der Erdoberfläche. Jetzt gibt es nur noch Birgitta Sonesson. Die eigentlich ermordet worden ist. Die eigentlich Annie Lundberg ist.« Ich sah zu Munter. »Verstehen Sie?«
    »Ich weiß nicht recht«, antwortete er.
    »Annie Lundberg hat behauptet, sie sei Birgitta Sonesson, und hat uns gesagt, bei der Leiche würde es sich nicht um Annie Lundberg handeln«, sagte ich. »Das war verdammt geschickt.«
    »Wäre es nicht besser gewesen, wenn sie gesagt hätte, dass es Annie sei?«, fragte Munter.

Weitere Kostenlose Bücher