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Winterland

Winterland

Titel: Winterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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verstanden.«
    »Das Böse war in seinem Körper«, sagte Lidner. Er öffnete die Hände und schaute sie, wie zum ersten Mal, an, und Winter konnte sehen, wie hart sie waren, wie schwer. Und er konnte auch das eigentümliche Leuchten sehen, das jetzt in Lidners Augen war: »Ich musste ihn von dem Bösen befreien, das in seinem Körper Wohnung genommen hatte!« Er hielt die Hände hoch.
     
    Die Dämmerung hatte sich endlich herabgesenkt, als Winter durch den Ausgang des Krankenhauses ins Freie trat.
    Er fuhr in der unentschlossenen Dunkelheit den Hügel hinunter. Wieder ein Tag im Land der Mitternachtssonne, dachte er. Wieder ein Tag im Dienst.
    Angela wartete mit gekühltem Wein. Sie würden in der warmen Nacht auf dem Balkon sitzen, über den Lichtern der Stadt.
    Er spürte den Geschmack von Stein und Erde im Mund. Plötzlich fühlte er sich sehr müde, kraftlos. Er versuchte daran zu denken, was während der Nachtstunden auf der Insel geschehen war, und versuchte doch gleichzeitig, nicht daran zu denken.
    Er hatte kürzlich das Wort »das Böse« in noch einem anderen Zusammenhang gehört, wie aus einem Zusammenhang herausgerissen, ein verwirrter Zusammenhang, und er wusste, dass es mit Menschen zu tun hatte. Es war ein Wort, das immer nur mit den Taten von Menschen zu tun hatte, es schwebte nicht wie ein Wesen über dem Land oder der Stadt oder den Inseln, es war kein böser Geist. Martin Lidner hatte geglaubt, das Böse auszutreiben. Was hatte er für diese Tat benutzt?
    Warum war er nicht dort geblieben? Wie viel hatte Elisabeth geahnt? Konnte sie das ahnen? Nein. Wie viel hatte Liv gesehen? Oder gewusst?
    Er bog auf den Vasaplatz ein. Es würde weitergehen, morgen, es ging immer weiter.
    Jetzt aber erst mal: der Balkon.

Besessen
    Ich hatte zu Barbro mehr als zwei Jahre lang keinen Kontakt mehr gehabt und hatte das Gefühl, einen großen Teil dieser Zeit in einem schwarzen Loch verloren zu haben. Einfach reinfallen lassen. So wie man etwas Wertvolles verliert, von dem man weiß, dass man es nie wiederfinden wird.
    Die letzte Zeit mit Barbro war nicht sonderlich wertvoll gewesen. Sie hätte einen Wert haben können. Wenn sie jemand anders gewesen wäre. Oder ich. Oder das, was wir nicht füreinander erschaffen hatten. Als ich an dieses Letzte denken musste, das Erschaffen, musste ich unwillkürlich lächeln. Mein Gesicht spannte. Hätte ich zu lachen versucht, wäre mein Gesicht gesprungen.
    »Warum lächelst du denn so?«, sagte sie in diesem scharfen Ton, mit dem sie die Bäume hätte fällen können, die trübsinnig und schwer vom Regen zu beiden Seiten des Weges standen. Es war Spätherbst, die düstere Zeit. Der Wald war nackt und aller Farben beraubt. Der Abend fiel aus einem Himmel, der bereits schwarz war.
    Sie saß mit der Pralinenschachtel neben mir im Auto.
    »Nichts«, antwortete ich und wich in den Rinnstein aus, weil uns ein Holzlaster, aggressiv wie ein Panzer, entgegenkam.
    »Wie immer also«, sagte sie und stopfte sich eine Praline in den Mund.
    »Was meinst du damit?«, fragte ich.
    Sie zuckte mit den Schultern.
    »Barbro …«
    »So heiße ich, ja.«
    Ob ich einfach in den Wald fahren könnte, einfach geradeaus rein? In voller Fahrt und dann auf der Seite, wo sie saß, gegen die Bäume schleudern, und alles wäre vorbei, und es würde Friede sein, und ich könnte …
    »Ich glaube, es geht an der nächsten Ecke rechts ab«, sagte sie. »Da vorne.«
    Wir bogen ab und fuhren auf einer kleineren Straße weiter. Unter dem Auto kratzte es. Die Straße war an einigen Stellen gefroren. Hier im Hochland brachte sich der Winter wie ein kalter Gruß aus der Zukunft früh in Erinnerung.
    »Da ist es«, sagte sie.
    Wir parkten vor dem Haus, die Scheinwerfer des Autos beleuchteten es grell. Ich war noch nie dort gewesen. Als die Idee aufkam, hatte auch Barbro gesagt, dass sie noch nie dort gewesen sei. Das verfallene Haus gehörte ihrem alten Onkel und hatte lange leer gestanden. Wir hatten es für den Winter gemietet. Sie hatte gesagt, dass sie von dem Onkel nichts wisse, außer dass er Geld habe, ein Einsiedler sei und in einem anderen Teil des Landes lebte. Sie wusste nicht wo.
    Vielleicht würden die Leere und die Einsamkeit hier draußen mir helfen, wieder schreiben zu können. Vielleicht würde es uns dazu bringen, wieder miteinander zu reden. Wieder miteinander zu leben. Wir hatten nichts zu verlieren. Aber es war einen Monat her, seit wir uns dazu entschlossen hatten, und seither war alles nur

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